Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 36/4, 184 (2005).
Hin und wieder beobachtet man zwei Schatten eines Gegenstandes oder einer Person, obwohl nur eine Lichtquelle vorhanden ist.
Diese verblüffenden Doppelschatten entstehen, wenn ein Gegenstand nicht nur direkt, sondern gleichzeitig von reflektiertem Sonnenlicht getroffen wird.
Dass Menschen bei künstlicher Beleuchtung von mehreren Schatten begleitet werden, ist nicht ungewöhnlich. Man denke nur an ein Fußballspiel, das unter Flutlicht ausgetragen wird. Aber das Erstaunen ist doch groß, wenn man am helllichten Tage einen doppelten Schatten seiner selbst gewahr wird, obwohl außer der Sonne keine zweite Lichtquelle vorhanden ist. Abbildung 1 zeigt eine solche Situation, in der zwei Schatten an einer Böschung auftreten. Wie entsteht dieses Phänomen?
Blickt man in einer solchen Situation zurück in Richtung Sonne, so kommt ziemlich schnell Licht in die Angelegenheit (Abbildung 2): Man sieht sich doppelt geblendet. Einerseits bricht das Sonnenlicht durch das Blätterdach der Bäume, andererseits wird es auf der Oberfläche eines nahen Gewässers reflektiert und damit zu einer sekundären Lichtquelle (Abbildung 3).
Da das auf dem Wasser reflektierte Licht nicht von oben, sondern von schräg unten kommt, kann es nicht auf den Erdboden fallen und dort einen Schatten hervorrufen. Das erklärt die Seltenheit des sekundären Schattens. Es muss eine passend geneigte Projektionswand in der Nähe sein. Im vorliegenden Fall fängt eine kleine Böschung Licht und Schatten des Fotografen auf.
In anderen Fällen fällt der primäre Schatten auf den Erdboden und der sekundäre Schatten ist in Baumkronen oder an Häuserwänden zu sehen. Meist wird man durch das ungewohnte mit der eigenen Bewegung koordinierte Wandern des Schattens in der Höhe aufmerksam. Nicht nur Wasserflächen sind g eeignete Reflektoren, sondern beispielsweise auch Fensterscheiben. In seltenen Fällen beobachtet man sogar Doppelschatten, die sich gänzlich von der Sonne emanzipiert haben und durch doppelte Reflexion des Sonnenlichtes zustande kommen. Es sind gewissermaßen sekundäre und tertiäre Schatten. Sie entstehen, w enn das Sonnenlicht von zwei Fensterscheiben in leicht unter schiedliche Richtungen reflektiert wird, weil das eine geschlossen und das andere auf „Kipp“ steht. Diese Schatten haben die zusätzliche Besonderheit, dass sie entgegengesetzt zur Sonnenstrahlrichtung auftreten.
W er nicht so lange warten will, bis er oder sie zufällig in die Situation eines doppelten Schattens gerät, kann in einem kleinen Experiment etwas nachhelfen. Man entwirft mit einem Spiegel einen Sonnenreflex auf einer beschatteten Wand und hält eine Hand vor den Spiegel. Im hellen Reflex auf der Wand sieht man dann zwei Schatten der Hand.
PDF: Im Doppelschatten
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