Wenn man in Italien einen Cappuccino bestellt, kann es passieren, dass einem ein Kunstwerk präsentiert wird, bei dem aus den Brauntönen des Kaffees und dem Weiß des Milchschaums blumenartige Strukturen gestaltet sind.
„Er war einer dieser Künstler, die aus der Vermischung der dunklen Kaffeespur mit dem Weiß des Milchschaums kleine Ornamente und Figuren auf die Oberfläche zaubern konnten; die Zeichnung in meiner Tasse erinnerte an Farnblätter, eine schlanke, fein gezackte, florale Struktur, die wie widerwillig verging, als ich vorsichtig Zucker auf sie häufte; der Schaum hielt den Zucker einige Momente an der Oberfläche, dann sogen die Kristalle Feuchtigkeit, quollen bräunlich auf und sackten durch den Schaum auf den Grund der Tasse, und wo das Ornament gewesen war, erschien der glatte Spiegel der dunklen Flüssigkeit, über dem sich aber die Schaumschicht sofort wieder schloß“ (Klaus Modick: Das Licht in den Steinen. Frankfurt 1995).
Und das ist auch gut so. Denn die Schaumschicht ist so etwas wie eine schmackhafte Styroporschicht. Sie sorgt unter anderem dafür, dass der heiße Kaffee sich nicht so schnell abkühlt, wie es ohne diese Abdeckung der Fall wäre. Die Wärmeisolierung ist sogar besser als die des Pappdeckels, beim „Coffee to go“. Die wäre in einem gepflegten Café im Übrigen auch „No Go“. Ganz abgesehen davon, dass der Pappdeckel in erster Linie das Überschwappen beim Go verhindern soll.
Dass die Schaumdecke nicht sofort unter dem Zucker zusammenbricht, liegt daran, dass es sich um eine raffinierte Leichtbaudecke bestehend auf luftgefüllten Blasen handelt. (Die Proteine und Fette der Milch wirken stabilisierend). Aber da Zucker ziemlich hygroskopisch ist, ziehen die Zuckerteilchen Feuchtigkeit aus dem Kaffee, gehen teilweise in Lösung und vereinigen sich zu einem süßen Brei, der dann so schwer ist, dass er förmlich durch die Schaumschicht hindurchbricht und dank seiner größeren Dichte als die des Kaffees zum Tassenboden sinkt.
Als ob der Schaum seine isolierende Funktion kennen würde, schließt er die Einbruchstelle sofort wieder zu, so als wäre nichts gewesen; außer vielleicht, dass die Struktur des Ornaments Einbußen erleidet.
Diskussionen
Trackbacks/Pingbacks
Pingback: Wo steht der Regenbogen | Die Welt physikalisch gesehen - 17. Juli 2018