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Marginalia

Nur noch das Rätsel gibt Rat

In der zeitgenössischen Physik ebenso wie in Kunst und Literatur lässt sich nicht mehr alles auflösen in anschauliche Zusammenhänge. Es zeigt sich, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht nur tiefer und fundamentaler, sondern in gleichem Maße labyrinthischer und rätselhafter werden. Es scheint als würden Wissenschaftler immer mehr zum Rätsellöser („puzzle solver“) wobHiggsei jede Lösung neue Rätsel aufgibt.

„Die Welt-Ausrechnung, Allmacht der Neuzeit, vor der auch Diktatoren sich beugen und Alle, die sich sonst hassen, verbrüdern, will alle Dinge entsiegeln. Im Freiraum der Kunst, wenngleich er folgenlos wurde: sie versiegeln sich wieder. Je mehr wissenschaftlicher Aufschluß, desto verschlossener erweisen die Dinge sich. Sie trotzen. Sie sehen den einzigen Fluchtweg, wenn sie überhaupt einen sehen: Umziehen ins Rätsel. Das Labyrinth, ihre Wohnung. So geht durch die Künste unserer Tage ein Zug, wir kennen ihn Alle. Jeder Vers sagt es, jedes Bild spricht davon: Die Dinge verrätseln sich. Das Unaufgeklärte, das Schwerverständliche ist ihre Zuflucht.
In der Neuzeit, in der totalen Welt-Ausrechnung, so will ihnen vorkommen: Es ist nur noch das Rätsel, das Rat gibt.“

Erhart Kästner: Aufstand der Dinge. Frankfurt: Insel 1975

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