„Der Weg: ein Streifen Erde, den man zu Fuß begeht. Die Straße unterscheidet sich vom Weg nicht nur dadurch, daß man sie mit dem Auto befährt, sondern auch dadurch, daß sie nur eine Linie ist, die zwei Punkte miteinander verbindet … Der Weg ist ein Lob des Raumes. Jedes Teilstück hat einen Sinn für sich und lädt zum Verweilen ein. Die Straße ist die triumphale Entwertung des Raumes, der dank ihr heute nur noch ein Hindernis für die Fortbewegung, nur noch Zeitverlust ist. Noch bevor die Wege aus der Landschaft verschwanden, waren sie aus der menschlichen Seele verschwunden: der Mensch verspürte keine Sehnsucht mehr zu gehen, die eigenen Beine zu bewegen und sich daran zu erfreuen. Nicht einmal sein Leben sieht er mehr als Weg, sondern als Straße: als Linie die von einem Punkt zum andern führt.“
Milan Kundera: Die Unsterblichkeit. München: Hanser 1990
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