Es graut vom Morgenreif
In Dämmerung das Feld,
da schon ein blasser Streif
den fernen Ost erhellt;
Man sieht im Lichte bald
den Morgenstern vergehn,
Und doch am Fichtenwald
Den vollen Mond noch stehn:
So ist mein scheuer Blick,
Den schon die Ferne drängt,
Noch in das Schmerzensglück
Der Abendnacht versenkt.
Dein blaues Auge steht,
Ein dunkler See vor mir,
Dein Kuss, dein Hauch umweht,
Dein Flüstern mich noch hier.
An deinem Hals begräbt
Sich weinend mein Gesicht,
Und Purpurschwärze webt
Mir vor dem Auge dicht.
Die Sonne kommt; – sie scheucht
den Traum hinweg im Nu,
Und von den Bergen streicht
Ein Schauer auf mich zu. Eduard Mörike
In diesem Gedicht von Mörike sieht der Sprecher während einer Fahrt im Wagen den schwerer Abschied von einer geliebten Person in einem Sonnenaufgang und gleichzeitigen Monduntergang visualisiert. Obwohl die Sonne bald obsiegt und den Mond mitsamt den traumhaften Erinnerungen vertreibt, bleibt ein unbestimmter Schauer.
Auffallend ist die korrekte Beschreibung der Situation. Der Dichter hat sie entweder wirklich so erlebt oder er besaß eine genaue Kenntnis über den Zusammenhang zwischen Mondphasen und Sonnenbewegung.
Auf dem Foto scheint der Mond im Dämmerlicht zu stehen. Das kann natürlich nicht sein. Es handelt sich vielmehr um die Gegendämmerung, die Rückstreuung des Lichts der aufgehenden Sonne am gegenüberliegenden westlichen Horizont.
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Pingback: Aufgehender Vollmond um Mitternacht? | Die Welt physikalisch gesehen - 29. November 2018