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Marginalia

Bäume im Waschbrettoutfit

WimmerungEine Wanderung auf dem Herrmannsweg (Teutoburger Wald) führte uns in der Nähe von Borgholzhausen an eine Gruppe von Bäumen vorbei, deren Stamm merkwürdige waschbrettartige Querstreifen aufweist. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass es sich nicht nur um periodische Farbwechsel handelt, sondern um wulstartige Auswüchse.
Auffallend ist dabei zunächst, dass diese wellenartig auftretenden Wülste alle in dieselbe (Himmels-) Richtung weisen. Da Anomalien im Wuchs von Pflanzen oft auf äußere Krafteinwirkungen zurückzuführen sind, liegt die Vermutung nahe, dass ein starker Sturm aus einer bestimmten Richtung den Bäumen zu schaffen gemacht hat, von denen diese Wulste als kuriose Blessuren zurückgeblieben sind.
Was passiert, wenn ein Baum sehr stark einseitig belastet wird? Aufgrund seiner Elastizität wird der Baum zunächst gebogen. Dabei werden die durch den Baum laufenden Fasern auf der windzugewandten Seite auf Zug und auf der windabgewandten Seite auf Druck belastet. Wenn die Belastung ein bestimmtes kritisches Maß überschreitet, kommt es zur Schädigung der Fasern  und zwar treten diese zuerst bei den gedrückten Fasern auf, denn Druck- und Zugfestigkeit von Holz ist unterschiedlich groß. Man kann davon ausgehen, dass die Zugfestigkeit des Holzes bei allen Bäumen etwa 2 bis dreimal so groß ist wie die Druckfestigkeit. Auch die elastische und plastische Nachgiebigkeit ist beim Druck wesentlich größer [1].
Die Schädigungen auf der konkaven Seite eines gebogenen Baumes machen sich zunächst darin bemerkbar, dass das Holz gestaucht wird und entsprechende Stauchlinien im Innern des Stamms hinterlässt. Dabei werden die Wände der Fasern so stark belastet, dass die Festigkeit  des Holzes an diesen Stellen stark eingeschränkt ist, wenn nicht gar völlig eingebüßt wird, so dass Stauch-bzw. Knicklinien auftreten. Man kann sich diese Linien als Risse quer durch die Fasern vorstellen. Bei später zu Brettern verarbeitetem Holz kann man sie als unregelmäßige, oft zickzackförmige Maserungen erkennen.
Wenn der Baum den Sturm überstanden hat, wird er in den nächsten Wachstumsphasen vollauf damit beschäftigt sein, die inneren Verletzungen so zu versorgen, dass möglichst die alte Stabilität wieder hergestellt wird. Diese „Reparaturen“ sind oft äußerlich sichtbar, nämlich  in Form der in Abbildung 1 zu erkennenden Wulste. Dabei werden die schadhaften Stellen mit neuem besonders stabilem Holz überbrückt und die intakten Bereiche oberhalb und unterhalb der schadhaften Stelle fest miteinander verbunden. Der dazu nötige Platzbedarf macht sich in entsprechenden Verdickungen bemerkbar.
Im vorliegenden Fall treten die Überwallungen der schadhaften Stellen in nahezu regelmäßigen Abständen auf. Die Ursache dieser Regelmäßigkeit liegt darin, dass aufgrund der relativ gleichmäßigen Formung des Stamms auch eine gleichmäßige Krümmung durch den Wind erfolgte. Folglich traten auch die Stauchungen des Stamms in gleichmäßigen Abständen auf.

Die Bäume, an denen die wellenartige Struktur zu sehen ist, stehen an einer stark abschüssigen Stelle des Waldes, so dass die Bäume im oberen Bereich über die tiefer liegenden Bäume hinausragen und daher dem Sturm relativ schutzlos ausgeliefert waren. Die Wulste zeigten grob in östliche Richtung, was auf einen Sturm aus westlicher Richtung schließen lässt. Ob dafür der Orkan Kyrill verantwortlich zu machen ist, der am 18./19 Januar 2007 von Westen kommend über Europa hinweg zog?

Literatur:
[1]  Reinhard Trendelenburg: Über Faserstauchungen in Holz und ihre Überwallung durch den Baum. European Journal of Wood and Wood Products 3/7-8 (1940) 209-221

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