Viele Städte und Gemeinden haben Webcams eingerichtet, die Fotos oder Videos eines typischen Anblicks liefern, den man sich über das Internet in Echtzeit anschauen kann. Manchmal kommen dabei Bilder heraus, die auf den ersten Blick nicht so recht zu deuten sind. Die obere Abbildung ist ein Foto einer Webcam auf der Nordseeinsel Borkum. Wer den Anblick vom Tage her kennt, weiß, dass sich im dunklen Hintergrund das Meer verbirgt und im Vordergrund vier Straßenlampen für Licht sorgen. Nichts Aufregendes eigentlich, wenn die Lampen nicht mit kunstvollen Lichtschirmen ornamentiert wären und das auch noch in zwei verschiedenen Farben.
Wer sich die Aufnahmen von Zeit zu Zeit anschaut weiß, dass hier kaum künstlerische Absichten im Spiel sein können und dem Phänomen eine natürliche Ursache zugrunde liegt.
Die charakteristisch geschwungenen Lichtschirme erinnern an Brennlinien (Kaustiken), die durch Wassertropfen hervorgerufen werden. In der unteren Abbildung sieht man solche Kaustiken auf ein Weinblatt projiziert, wie sie die Sonne beim Durchgang durch Wassertropfen erzeugt, die unter dem Glasdach eines Treibhauses hängen. Die Kaustiken entstehen dadurch, dass die Wassertropfen ihrer ausgefransten Form entsprechend das Licht nicht in einem definierten Brennpunkt fokussieren, wie es ein linsenartiger Tropfen täte, sondern schirmartige Lichtgebilde erzeugen. Ein bekanntes Beispiel für eine geometrische Kaustik, an der man sich auch die Entstehung veranschaulichen kann, ist die herzförmige Brennlinie, wie sie an zylinderförmigen Hohlspiegeln, einer Tasse oder einem Ehering entstehen können (Ucke/Schlichting 2011, S. 117f).
Es liegt daher der Gedanke nahe, dass es sich bei den Lichtschirmen, die die Lampen zu überspannen scheinen, um ebensolche Kaustiken handelt. Als Ursache dafür kommen Wassertropfen infrage, die durch Regen auf der Linse der Webcam gelandet sind.
Auffallend an den Lichtstrukturen ist, dass jeweils die beiden Lampen auf der linken und rechten Seite dieselbe Form besitzen und sich daher demselben Tropfen verdanken. Das lässt sich dadurch erklären, dass das von den jeweils benachbarten Lampen ausgehende Licht durch ein und denselben Tropfen gebrochen wird. Es sind also mindestens zwei verschieden geformte Tropfen auf der einen und anderen Seite der Linse vorhanden gewesen. Die Tropfen wirken also wie eine sehr unvollkommene Linse und bilden die Lampen, deren Licht sie empfangen entsprechend ab. Die Abbildung ist also ziemlich stabil gegenüber Verschiebungen der optischen Achse.
Bleibt zu klären, warum die Lichtstrukturen unterschiedliche Farben haben, was auf die Frage hinausläuft, warum die Lampen unterschiedlich gefärbtes Licht ausstrahlen. Offenbar handelt es sich um zwei verschiedene Beleuchtungstechniken. In den gelben Leuchten wird es sich um Natriumdampflampen und bei den grünen um Quecksilberdampflampen handeln.
Man wird sich vielleicht fragen, warum von der Verschiedenheit der Lichtfarbe normalerweise kaum etwas bemerkt wird. In den meisten Fällen wird man jeweils das Licht von Leuchten einer bestimmten Art und nicht gleichzeitig – wie auf dem Foto – zweier verschiedener im Blick haben. Und dann sorgt nämlich der Weißabgleich des Auges dafür, dass man das Licht der einen oder anderen Art wesentlich „weißer“ empfindet, als es physikalisch der Fall ist. Im vorliegenden Fall sorgt die gleichzeitige Wahrnehmung zweier verschiedener Farben dafür, dass ein echter Wahrnehmungskonflikt zwischen zwei verschiedenen Farben entsteht, der durch keinen Weißabgleich gemildert wird.
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