Eine Lichtbahn der Sonne wird auch „Schwert der Sonne“ genannt, weil es von der Sonne ausgehend wie ein glühendes Schwert auf dem leicht welligen Wasser zum Beobachter reicht. Im vorliegenden Fall ist es komplizierter: das Licht der tiefstehenden Sonne wird von zwei benachbarten Fenstern auf das Wasser reflektiert. Und weil das Wasser durch einen leichten Wellengang vielfältig geriffelt ist und im räumlichen und zeitlichen Mittel alle Winkel durchspielt, die der Wellengang erlaubt, prallt das Licht an all den geneigten Wasserflächen auf die es auftrifft ab. Dabei gilt natürlich das Reflexionsgesetz und nur diejenigen Reflexe erreichen unsere Augen, die gerade passend geneigt sind. Daher sieht jeder Beobachter seine eigene Lichtbahn. Und wenn er sich fortbewegend das im Sonnenlicht glühende Wasser im Auge behält, bewegt sich die Lichtbahn mit ihm mit.
Diese Dynamik hat immer wieder Dichter und Denker beeindruckt. Der Reiz dieses Naturphänomens beruht vor allem auf dem Wechselspiel von Einheit und Vielfalt. Durch endlose Wiederholung eines einfachen optischen Grundprinzips der Reflexion: Einfallswinkel = Reflexionswinkel, entsteht etwas sehr Komplexes, das sich uns als etwas Einheitliches mitteilt.
Auf diese Weise illustriert dieses Naturphänomen auch einen wesentlichen Aspekt der wissenschaftlichen Betätigung, nämlich die Fähigkeit, Komplexität zu reduzieren und auf Einfaches zurückzuführen: Komplexität ist einfach, einfach, einfach…. Wissenschaft heißt auch, Einheit in die Vielfalt zu bringen und Dinge miteinander zu verbinden, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben.
Im vorliegenden Fall kommt noch etwas Interessantes hinzu. Die Helligkeit und das Übermaß an Licht, das uns aus dem Wasser entgegen strahlt, stehen in keinem Verhältnis zur Dunkelheit der beiden Fenster, an denen das Sonnenlicht umgelenkt wird. Erst durch etwas Nachdenken kommt man darauf, dass die Scheiben das Licht im Einklang mit dem Reflexionsgesetzt nur in eine Richtung ablenken – auf das Wasser – und nicht direkt in unserer Augen. Wir sehen daher das Licht so, als würde es aus dem Wasser kommen.
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Pingback: Der Ursprung vom „Schwert der Sonne“ | Die Welt physikalisch gesehen - 27. Juli 2016