Die Kanone sprach zur Glocke:
„Immer locke, immer locke!
Hast dein Reich, wo ich es habe,
hart am Leben, hart am Grabe.
Strebst umsonst, mein Reich zu schälern!
bist du ehern, bin ich stählern.
Heute sind sie dein und beten
morgen sind sie mein – und töten.
Klingt mein Ruf auch unwillkommen,
keiner fehlt von deinen Frommen.
Beste, statt uns zu verlästern,
laß uns einig sein wie Schwestern.“
Drauf der Glocke dumpfe Kehle:
„Ausgeburt der Teufelsseele,
wird mich erst der Rechte läuten,
wird es deinen Tod bedeuten.“
Christian Morgenstern (1871 – 1914)
Morgenstern spricht hier einen unheiligen Zusammenhang zwischen Glocken und Kanonen an, der einerseits durch eine ähnliche Herstellungsart gegeben ist und andererseits durch die Praxis, in Kriegszeiten Glocken zur Produktion von Waffen einzuschmelzen. Den Waffen wurde offenbar zu allen Zeiten mehr vertraut als dem himmlischen Beistand, der ja vor allem auch das Glockegeläut kündet. Der umgekehrte Weg, Schwerter zu Flugscharen bzw. Kanonen zu Glocken umzugießen, ist dagegen fast immer ein frommer Wunsch geblieben.
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