Ich sitze am Teich und lese. Plötzlich spüre ich, dass mich jemand beobachtet. Es ist aber weit und breit keiner da – bis auf einige Blasen auf der Wasseroberfläche, die mich anzuglotzen scheinen. Als ich mich nähere, scheint mich ihr Blick simultan zu verfolgen. Es ist mein Spiegelbild auf den glänzenden Hemisphären aus sphärisch gespanntem Teichwasser, das – wie ich mich auch drehe und wende – wie die Pupillen mich fixierender Augen immer genau auf mich ausgerichtet ist.
Aber halt, schaut man genauer hin (zur Vergrößerung bitte auf das Bild klicken) so erkennt man nicht nur ein Spiegelbild pro Halbblase, es sind derer zumindest drei. Das auf der mir zugewandten Wölbung der Blase ist am deutlichsten zu sehen. Es ist – wie man es von einem Wölbspiegel erwartet – aufrecht stehend. Auf der gegenüberliegenden konkaven Innenseite sieht man ein auf dem Kopf stehendes Spiegelbild. Auch das ist in vollem Einklang mit den Spiegelgesetzen: ein Hohlspiegel liefert ein kopfstehendes Abbild, sofern man sich weit genug entfernt befindet (siehe Anmerkung*).
Und wenn man ganz genau hinschaut (zur Vergrößerung auf das Foto klicken), sieht man am Fuße des aufrecht stehenden Spiegelbildes noch ein sich daran unten anschließendes, abermals kopfstehendes, allerdings stark gestauchtes Spiegelbild. Denn wieder ist ein konkaves Spiegelelement dafür verantwortlich. Schaut man sich nämlich eine Blase auf dem Wasser aus der Nähe an, so zeigt sich die Halbkugel rundherum mit einer Art Kehle umgeben, einem konkaven Meniskus aus Wasser. Er kommt dadurch zustande, dass die Teichwasserblase wasserliebend (hydrophil) ist, was dazu führt, dass das Wasser die Blase benetzt und an ihr aufsteigt – genauso wie man es auch von einem Wasserglas kennt: Das Wasser grenzt nicht senkrecht an die Innenwand, sondern zieht sich ein wenig an der Wand hoch.
Und warum ist die Wasseroberfläche weitgehend grün? Der Teich ist von Laubbäumen umgeben, deren grünen Blätter sich auf dem Wasser spiegeln. Nur an einigen Stellen sind „Pfützen“ von blauem Himmelslicht zu sehen, das vom spiegelnden Wasser in unsere Augen reflektiert wird. Die (halb-)sphärischen Blasen zeigen wie Fischkamera-Aufnahmen das ganze Szenario.
*Anmerkung: Wer nun argumentiert, dass der konkave (hohlspiegelförmige) Schminkspiegel im Badezimmer ein aufrecht stehendes Bild zeigt, der muss sich die Verhältnisse etwas genauer ansehen. Dazu hilft das Monatsrätsel vom April 2014 und die Auflösung des Rätsels im folgenden Monatsrätsel vom Mai 2014.
Diskussionen
Trackbacks/Pingbacks
Pingback: Froststrukturierte Pfützensedimente | Die Welt physikalisch gesehen - 20. Januar 2019
Pingback: Am Ende des Regenbogens zweiter Ordnung | Die Welt physikalisch gesehen - 16. Juli 2019
Pingback: Als der Auftrieb noch die Eigenschaft des Leichten war… | Die Welt physikalisch gesehen - 27. Februar 2020