Ein Narre schrieb drei Zeichen in Sand,
Eine bleiche Magd da vor ihm stand.
Laut sang, o sang das Meer.
Sie hielt einen Becher in der Hand,
Der schimmerte bis auf zum Rand,
Wie Blut so rot und schwer.
Kein Wort ward gesprochen – die Sonne schwand,
Da nahm der Narre aus ihrer Hand
Den Becher und trank ihn leer.
Da löschte sein Licht in ihrer Hand,
Der Wind verwehte drei Zeichen im Sand –
Laut sang, o sang das Meer.
Georg Trakl (1887 – 1914): Ballade
Vom düsteren Hintergrund der Ballade einmal abgesehen, nutzt Trakl die wechselseite Metaphorik von Sand und Wasser. Das Sandmeer als Ausdruck der lebensfeindlichen Trockenheit trifft hier in seiner Fluidität das Wassermeer als Verkörperung des gefahrvollen Nassen. Die Gemeinsamkeiten zwischen fließendem Sand, der durch die Finger eines Kindes rieselt oder durch den schmalen Schaft einer Sanduhr fließt, kann als Inbegriff der Vergänglichkeit angesehen werden, während das Wasser mehr für die ständige Veränderung und das Vergessen steht.
Menschliche Zeichen im Sand werden leicht von Wind und Wasser verweht. Andererseits schafft der Wind in Form von wandernden Sanddünen und den über sie hinweglaufenden Sandrippeln natürliche Muster, die ich gern als Musterbeispiel des Naturschönen ansehe.
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