»Betrachten Sie mein Kleid oder meinen Körper?« fragte sie und richtete sich auf, um die Brust herum leicht anschwellend.
»Ich bin sehr oberflächlich, also sehe ich nur Ihre schönen blauen Mäander. Das ist so ein altes Muster. Eigentlich hat
es etwas Verzweifeltes, finden Sie nicht?«
»Wieso?«Man könne die Windungen des Mäanders als vergebliche Fluchtversuche auffassen, als immer wieder eingefangene Mühe, der Hauptlinie zu entkommen.
»Und was ist die Hauptlinie?« erkundigte sich die Studentin, unerträglich frisch und blühend hinter ihrem Personalcomputer sitzend.
»Was Sie möchten. Nehmen Sie zum Beispiel die Zeit.«
»Aber die Mäander können zwei Richtungen haben.« Die junge Frau verdeutlichte diesen Sachverhalt, indem sie die Rücken ihrer Hände aneinanderfügte. »Sie wurden den Meereswellen nachempfunden. Und die Meereswellen sind der Flut voraus, der Zeit voraus, in Ihrem Beispiel.«
»Das hat keinen Wert«, sagte Zweiwasser. »Wer seiner Zeit nur voraus ist, der wird bald von ihr eingeholt, schreibt der Philosoph.«
»Welcher Philosoph? Und was wollen Sie dann? Auf der Flut wandeln?!« schnaubte die Zeichnerin…..
Dinge zu wissen, die man nicht wissen kann. Etwa die Zukunft kennen. Das wäre ein nach rechts laufender Mäander auf der Zeitlinie. Sie denkt, es liege im Unbewußten, verstehen Sie? Oder in jeder Körperzelle. Als wäre dort bezüglich der Zeit, das ganze Universum, vom Anfang bis zum Ende, zusammengewickelt – wie eine riesige dunkle Schlange. Und manche Leute verstehen es eben, dieses Knäuel zu entwirren..“
Die Studentin kam Zweiwasser zuvor. »Das habe ich gestern abend getan.«
Aus: Thomas Lehr. Zweiwasser oder Die Bibliothek der Gnade.
Das obige Foto eines Mäanders wurde aus ca. 10000 Meter Höhe über Alaska aufgenommen. Wenn man darauf achtet, entdeckt man von hoch oben, dass Mäander häufiger zu sehen sind, als man vielleicht vermutet hätte. Das mag daran liegen, dass man auf der Erdoberfläche schon ein ganzes Stück an einem Fluss entlang gehen muss, um die Mäanderschleifen zu entdecken. Mäander sind übrigens keine Ausnahme, sondern die Regel. Jeder naturbelassene Fluss mäandert. Die Ursachen dafür werden in einem späteren Blog skizziert.
Interessantes zu Mäandern bzw deren Verhinderung=Korrektur und Auswirkungen kann man u.a auch hier nachlesen.
Klicke, um auf kanal.pdf zuzugreifen
Auch Viktor Schauberger (1885-1958) hat dazu weitreichende Informationen geschrieben.
http://www.wasserwesen.ch/viktorschauberger.html
LikeLike
Danke für die Hinweise. Das vielleicht Überraschendste an einem Fluss ist, dass das Mäandern zu seinen wesentlichen Eigenschaten gehört. Es ist gewissermaßen ein Zeichen dafür, dass ein Fluss lebt.
LikeLike
Klasse Textausschnitt, den du da herausgesucht hast.
Edgar
LikeLike
Dank, dir! Die Mäandermetaphorik betrifft m.E. viele Lebensbereiche. Gruß, Joachim.
LikeGefällt 1 Person