Auf den beschlagenen Fensterscheiben verdichtete sich die Feuchtigkeit hier und da zu Wassertropfen, die beim Hinuntergleiten dunklere, duchsichtigere Spuren hinterließen. Durch einen dieser Guckstreifen sah Sperber, dass sich die Lippen des alten Mannes bewegten.
Anne Weber. Tal der Herrlichkeiten. Frankfurt 2012
Die Wassertröpfchen entstehen, wenn in einem Raum mehr Wasserdampf als „zulässig“ vorhanden ist. Die Wasserdampfkonzentration nennt man auch Feuchte. Und wenn die von der Temperatur abhängende maximale Feuchte unter den Wert der tatsächlich vorhandenen, der absoluten Feuchte, sinkt, muss ein Teil des Dampfes in den flüssigen Zustand übergehen. Das passiert zum Beispiel dann, wenn der Wasserdampf abkühlt, zum Beispiel an einer Fensterscheibe. Denn je niedriger die Temperatur, desto geringer ist die maximale Feuchte. An kleinsten Verunreinigungen an der Scheibe bilden sich dann zunächst kaum sichtbare, winzige Tropfen, die allmählich anwachsen und schließlich so schwer werden, dass die Adhäsionskraft nicht mehr groß genug ist, der wesentlich schneller wachsenden Gewichtskraft etwas entgegen zu setzen. Der Tropfen rutscht an der Scheibe hinab, sammelt dabei im Wege befindliche weitere Tröpfchen ein und reißt eine Schneise in das Tröpfchenmeer (siehe Foto). Dahinter ist die Scheibe wie leergefegt und gestattet einen ungestörten Durchblick. Von diesem Moment spricht Anne Weber in dem obigen Zitat.
Übrigens: Schaut man die kleinen Tröpfchen genauer an, so erkennt man, dass sie im oberen Bereich dunkler als im unteren sind. Weil sie wie kleine Linsen die umgebende Welt abbilden und zwar kopfstehend, nehmen der helle Himmel die untere und die übrige (dunklere) Welt die obere Hälfte ein. Am großen Tropfen kann man sogar Details dieser Abbildung erkennen. Tropfen am Fenster lassen im Übrigen tief blicken.
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Pingback: Naturschöne Abstraktion | Die Welt physikalisch gesehen - 14. Dezember 2018