Als Entität für sich betrachtet, ist der Schatten seltsam. Er ist ein wirkliches materielles Faktum, ein physikalisches Loch im Licht, hat aber weder eine stabile Form noch eine kontinuierliche Existenz; andererseits aber sind die Metamorphosen, die er durchläuft, determiniert, und obwohl er diskontinuierlich ist, kann er wiederkehren. Wie die Farbe wird Schatten nur in Abhängigkeit vom Licht realisiert, aber anders als die Farbe hat der Schatten kein permanentes, molekular definiertes Eigengebiet. Obwohl seine aktuelle Manifestation auf Oberflächen stattfindet, ist sein Reich dreidimensional und innerhalb dieses Reichs ist ihm alles untertan. Und so weiter. All dies mag durchaus etwas mit Leonardo da Vinci und jenen anderen zu tun gehabt haben, die sich manchmal fragten, ob der Schatten vielleicht nicht nur ein lokales Negativ des Lichts sei, sondern auch dessen aktiver Gegenspieler, der aus der Dichte ausstrahlt wie das Licht von einer Lichtquelle. Aus: Michael Baxandall. Löcher im Licht. München 1998.
Wer danach immer noch an der Bedeutung des Schattens zweifelt, sollte sich die wundersame Geschichte von Peter Schlemihl zu Gemüte ziehen, eine literarische Figur des Naturforschers und Dichters (noch so einer) Adelbert von Chamisso (1781-1838).
„sondern auch dessen aktiver Gegenspieler, der aus der Dichte ausstrahlt wie das Licht von einer Lichtquelle.“
Man glaubte auch in der Erforschung des Sehens, daß Bilder der Gegenstände vor uns ins Auge flattern würden und dort verarbeitet/registriert würden. Ein eigentlich naheliegender Gedanke: Alles Sein schickt sich selbst los, um wahrgenommen zu werden.
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Und so ganz abwegig ist das unserer Kenntnis nach ja auch nicht, denn es kommen je von den gesehenen Gegenständen Photonen in unser Auge. Diese Photonen rufen dann das Bild hervor.
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In der Tat. Wie das Gehirn arbeiten würde, was die Photonen bewirken, war vermutlich weit weg von jedweder Vorstellung.
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Trotzdem erstaunlich, dass ein altes, später als naiv diskreditiertes Bild in einer ähnlichen Form wieder auftritt, wennauch im Rahmen einer damals überhaupt nicht erahnbaren Theorie.
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…wie der Phönix aus der Asche 🙂
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sozusagen
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