Endlich haben wir es geschafft, Arno Schmidts (1914 – 1979) Seelandschaft um den Dümmer zu erwandern. Um es vorweg zu sagen, Pocahontas* haben wir nicht getroffen. Dafür aber jede Menge elektromotorisierter Radfahrerinnen und Radfahrer, die für ihr Alter ziemlich fix den See auf dem Deichweg umrundeten, uns immer wieder auf den Grünstreifen zwangen und dadurch ein Stück weit von der Naturbetrachtung und Unterhaltungen abhielten. Dennoch waren die Eindrücke des Sees stärker und ich konnte die folgende Äußerung Schmidts gut nachvollziehen:
„Ich mag diese Ge=Wässer von 15 bis 20 km Länge ja zu gern: die könn’n Fisch=Teiche billdn; und sich im Winnt=Schtooß kreusln; und, eis=berandet, im Mond glittsern! – Wie sich, zumm Beischpiel, das =hier durch, sehr geschikktis, Pläppm, zu emmphehln versuchte.-“.
In der Tat, der See lässt sich auch zu Fuß umrunden. Man hat das jeweils gegenüberliegende Ufer im Blick, was allerdings den Fortschritt nicht immer leicht erkennen lässt. Nur wenn man plötzlich vor einem markanten Gebäude steht, das man vor zwei Stunden am Horizont erblickte, wird klar, dass es trotz allem vorangeht.
Und dann die Reflexionen im Wasser. Warum erscheinen die Spiegelungen der fernen Wolken so nah am diesseitigen Ufer? Klar, man stelle sich nur vor, der See sei ein liegender Spiegel und man blickt auf ihn aus geringer Höhe. Allerdings sind die Spiegelungen etwas in die Länge gezogen. Das ist den kleinen Wellen geschuldet, die wie das Schwert der Sonne die gespiegelten Gegenstände in Blickrichtung in die Länge ziehen. Und rechts die Kräuselungen, die das Wasser so aufrauen, sodass der Spiegel stumpf erscheint. Man blickt fast senkrecht in die von einem Windstoß aufgesteilten Wellen und sieht daher kaum reflektiertes Licht; der Bereich erscheint dunkler. Auch zum vordergründigen Ufer hin ist die Blautönung dunkler, weil man auch hier steiler ins Wasser blickt und das reflektierte Licht aus zenitnahen Gegenden kommt.
Da die Uferlinie des Sees – wie das bei geschlossenen Kurven so üblich ist – keinen Anfang und kein Ende hat, besteht natürlich ein theoretisches Risiko, den Rundgang ad infinitum fortzusetzen. Man kennt das von kleinen Tieren, die einen Ausgang suchend beispielsweise viele Male den Rand einer Tasse umrunden. Diese Gefahr bestand bei uns nicht, weil ermüdete Beine uns rechtzeitig ihre Streikbereitschaft signalisierten.
- Der Roman „Seelandschaft mit Pocahontas“ von Arno Schmidt spielt am Dümmer.
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Pingback: Klapperstörche am Dümmer | Die Welt physikalisch gesehen - 13. Juli 2017