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Marginalia, Physik im Alltag und Naturphänomene

Sonnenschein im Schneckenschleim

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Lerne Schnecken zu beobachten.
Joseph Beuys

 

„So malt die Sonne ihr Bild auf alle Wesen, groß im Weltmeere, bunt in Tautropfen, klein auf die Menschen-Netzhaut, als Nebensonne in die Wolke, rot auf den Apfel, silbern auf den Strom, siebenfarbig in den fallenden Regen und schimmernd über den ganzen Mond und über ihre Welten“, sagt Jean Paul in seinem Hesperus. Er hätte noch die schönen Sonnenbildchen auf der gespannten Folie aus getrocknetem Schneckenschlein hinzufügen können, die eine Schnecke verschwenderisch über alle Unwegsamkeiten des pflanzlichen Bewuchses hinweg gespannt und anschließend sich selbst überlassen hat.
Obwohl die Sonne nur aus einer Richtung strahlt, sieht man hier zahlreiche Reflexe gleichzeitig. Dazu genügt es dass jede Folienelement eine geringfügig andere Orientierung aufweist, sodass wir die Sonne genau an der Stelle gespiegelt sehen, an der zufällig Einfalls- und Reflexionswinkel des Lichts so passend sind, dass das Licht der Sonne in unsere Augen fällt.
Auffällig ist, dass die Sonnenreflexe mit „Sonnenstrahlen“ ausgestattet sind, so wie die Sonne auch oft von Kindern gemalt wird. Dieses Phänomen hat weniger mit der Sonne zu tun als vielmehr mit der Wahrnehmung des Sonnenbildes durch unsere Augen oder in diesem Fall durch das Objektiv der Kamera. Bei der Kamera handelt es sich um sogenannte Blendensterne. Sie treten bei Lamellenblenden auf, die nicht streng kreisförmig sind, sondern von einem Polygon gerader Kanten berandet werden. In den schmalen Ecken kommt es zu einer Beugung des Lichts, die sich in mehr oder weniger langen Strahlen bemerkbar macht. Beim Auge sind es andere Mechanismen, die aber oft zu ähnlichen Phänomenen führen. Diese Lichtsterne treten nicht nur bei der Sonne auf, sondern auch bei anderen möglichst punktförmigen Lichtquellen oder bei Reflexionen von Licht beispielsweise auf Wassertropfen.
Schön zu erkennen ist noch ein weiteres Phänomen. Die transparenten Schleimfolien reflektieren nicht nur das Sonnenlicht, sondern auch das Himmelsblau, das in den meisten Fällen eine strahlende Sonne umgibt.

Diskussionen

7 Gedanken zu “Sonnenschein im Schneckenschleim

  1. Sieht aus wie eine verlorene Brillantkette, wunderschön!
    Es ist fantastisch, was Du alles entdeckst und Du hälst es auch noch gekonnt fotografisch fest!👏👌
    Die Erklärung dazu ist natürlich sehr interessant! Danke!

    LG Babsi

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    Verfasst von kunstschaffende | 9. August 2017, 00:18
    • Vielen Dank liebe Babsi! Im Vergleich zum Brillanten, als Inbegriff des Schönen, Harten und Beständigen ist Schneckenschleim eher im Gegenteil ein Beispiel für das Ekelige, das Weiche und Vergängliche. Wenn man sich von diesen Vorurteilen zu befreien vermag, kann es jedoch eine ähnlich positive Empfindung hervorrufen. So wie du mit deinen Bildern das Schöne und Faszinierende erschaffst, macht es mir Spaß, das „Wunderbare“ und Rätselhafte im Alltäglichen aufzusuchen. LG, Joachim.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 9. August 2017, 09:13
      • Lieber Joachim,
        durch die Beleuchtung der Sonne und Deine Fotografie bekommt der eklige Schneckenschleim ein völlig anderes Gesicht und stellt sich geradezu schön dar!
        Durch Deine Fotolinse hast Du diese Schönheit geweckt!😉👍

        LG Babsi

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        Verfasst von kunstschaffende | 9. August 2017, 12:28
      • Danke, das hast du sehr schön gesagt! Die Schönheit muss manchmal wie Schneewittchen geweckt werden. Liebe Grüße, Joachim.

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        Verfasst von Joachim Schlichting | 9. August 2017, 18:12
  2. Kann mich Babsi nur anschließen: tolles Bild, toller Jean Paul, tolle Erklärungen. Und das I-Tüpfelchen dann Dein letzter Satz zum Himmelsblau 🙂
    Liebe Grüße vom Simon, der gestern radelnd ständig über die anamorphen, weißen Fahrräder unter seinen Füßen (Rädern) gestaunt hat.

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    Verfasst von simonsegur | 9. August 2017, 12:07
    • Danke, lieber Simon! Mit Jean Pauls bildhaft-poetischen Beschreibungen kann man ja auch nicht viel falsch machen. Und was die verzerrten Piktogramme zu deinen Rädern betrifft, achte lieber auf den Verkehr, denn ansonsten geben sie ja nicht viel her. Liebe Grüße, Joachim.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 9. August 2017, 18:21

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