Ucke, Christian; Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 48/6 (2017) S. 293 – 295
Der kürzlich in Mode gekommene Fingerkreisel Fidget erlaubt ein selten unmittelbares Erfühlen von Kreiselkräften. Darüber hinaus lassen sich einige Experimente zur Kreiselphysik machen.
Der Hype um den Fingerkreisel Fidget (englisch für Unruhe, Zappelphilipp, Abbildung oben: in Ruhe, unten: in Bewegung) hat in diesem Jahr weltweit enorme Ausmaße angenommen. Zeitweilig war das Spielgerät ausverkauft. Zu den Hintergründen der Erfindung und der Handhabung gibt es im Internet genügend Hinweise. Bei YouTube häufen sich physikalisch wenig relevante Videos zum Thema. Wir beschreiben einige Experimente und Aspekte, die über die bloße Handhabung mit den Fingern hinausgehen. Als Erstes wird jeder den Kreisel zwischen Zeigefinger und Daumen nehmen und ihn mit der anderen Hand oder einem Finger derselben Hand andrehen. Dabei schafft man maximal etwa 1000 Umdrehungen pro Minute. Die Drehzahl lässt sich heutzutage mit den in Smartphones und Kameras häufig verfügbaren High-Speed-Video-Apps bestimmen.
Kippt man den Kreisel senkrecht zur Drehachse, spürt man eine ungewöhnliche Kraft, die der Kippbewegung einen Widerstand entgegensetzt und die umso größer ist, je schneller der Kreisel rotiert. Diese Kraft wird häufig auch Kreiselkraft oder gyroskopische Kraft genannt. Die Änderung des Drehimpulses des Kreisels erfordert ein Drehmoment, also eine Kraft, die auf einen Hebelarm senkrecht zur Kipprichtung wirkt. Aus der Sicht eines Physikers ist das ein eminenter Vorteil des Fidget-Spinners: Er ermöglicht es, diesen oft nur in Science Centern mit speziellen Kreiseln am eigenen Körper erfahrbaren Effekt in kleinem Maßstab auf einfache Weise in den Fingern spürbar zu machen.
Diese Kraft ist es auch, die zurzeit viele kleine und große Akteure in ihren akrobatischen Nummern unterstützt, wenn diese den Fidget-Kreisel auf Fingern, der Nase oder sonstwo rotieren lassen. Das seitliche Abkippen wird nämlich maßgeblich vom Kreisel selbst unterbunden.
Nimmt man die Kappen des zentralen Kugellagers ab, kann man durch die Mitte eine Achse stecken, zum Beispiel an der Spitze schmal zulaufende Kugelschreiber oder Holzbleistifte. Eine zu dünne Achse lässt sich durch Umwickeln mit Tesafilm anpassen, zu dicke Bleistifte kann man mit Hilfe von Schleifpapier so verschlanken, dass die Achse durchpasst und fest sitzt (Abbildung 2 unten).
Natürlich kann man den Kreisel nicht an der im Kugellager befindlichen Achse andrehen. Man hält ihn mit einer Hand an der Achse und dreht mit der anderen Hand, erreicht so jedoch keine großen Drehzahlen. Mit Hilfe eines Strohhalmes lässt er sich auch seitlich anblasen und auf bis zu 3000 U/min hochdrehen. Stellt man den Kreisel senkrecht auf die Achsspitze, bleibt er stehen. Gibt man dem Achsenende einen kleinen Schubs und übt damit eine Kraft auf die Achse aus, fängt der Kreisel an zu präzedieren: Die Achse beschreibt einen Kegel.
Einen solchen Kreisel mit einer in einem Kugellager befestigten Achse gab es schon vor etwa zwanzig Jahren unter dem Namen Tricky Top. Anblasen wie bei dem Fidget-Kreisel ging nicht, da der Kreisel aus einer glatten Plexiglasscheibe bestand. Hielt man ihn jedoch an der Achse und rieb ihn schnell genug über eine geeignete Unterlage, erzielte man eine genügend große Drehzahl, um den Kreisel hinstellen zu können, ohne dass er umfiel. Einige der Fidget-Kreisel enthalten zusätzliche Kugellager, mit denen man sich so einen Tricky Top selbst basteln kann. …
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Pingback: Was bleibt vom Fidget-Kreisel? | Die Welt physikalisch gesehen - 8. April 2018