Auf den ersten Blick scheint auf dem aktuellen Foto jahreszeitlich gesehen alles in Ordnung zu sein. Der Baum hat fast alle seine Blätter verloren. Schaut man aber genauer hin, so wird verständlich, warum Nicola Gühne mir das Bild geschickt hat mit der vielsagenden Bemerkung, dass es „sozusagen den Herbst mit dem Thema Wärmedämmung“ vereint. In der Tat, der Baum ist fast blattlos, allerdings ist dieses „fast“ nicht statistisch verteilt. Merkwürdigerweise, scheint der Blätterfall den an das Gebäude angrenzenden Teil des Baumes noch nicht erreicht zu haben. Und schaut man sich diesen Teil etwas genauer an (zur Vergrößerung auf das Bild klicken!), so wird auch die Anspielung auf die Wärmedämmung verständlich. Man erkennt, dass die Fenster nur einfach verglast sind und es ist davon auszugehen, dass auch die Wände von ähnlicher (fehlender) Qualität sind.
Um den Wohfühltemperaturen der heutigen Menschen einigermaßen gerecht zu werden, müssen derartige Gebäude sehr stark geheizt werden. Damit ist zwangsläufig verbunden, dass viel Energie an die Umgebung abgegeben wird. Und hier treffen wir den Herbst an, die Jahreszeit, in der Bäume nicht nur wegen der kürzer werdenden Tage und anderer biologischer Gründe ihre Blätter „abwerfen“, sondern vor allem auch wegen der gesunkenen Temperaturen.
Bei der Betrachtung des Fotos drängt sich die Temperaturabhängigkeit des Blätterfalls geradezu auf: Dort wo die Durchschnittstemperatur dank der massiven Wärmeabgabe des schlecht gedämmten aber gut geheizten Gebäudes höher als die Umgebungstemperatur ist, also ganz in der Nähe der Wand, fühlt es sich für den Baum an wie Sommer, naja, sagen wir: Spätsommer. Die in dieser vergleichsweise angenehm warmen Umgebung befindlichen Blätter bleiben daher noch eine Weile hängen.
Wenn diese (vielleicht etwas naive) Interpretation richtig ist, muss man sich darüber wundern, wie differenziert der Baum auf eine räumlich unterschiedliche Temperaturverteilung reagiert. Er stimmt sein Verhalten dezentral unter Berücksichtigung der lokalen Umweltbedingungen ab. Das wäre aus meiner Sicht eine äußerst interessante Einsicht.
Ich wäre sehr daran interessiert, was biologisch besser informierte Leserinnen und Leser von dieser Interpretation halten. Denkbar wäre immerhin auch noch die profanere Erklärung, dass die in der Nähe der Wand gelegenen Blätter weniger dem Wind ausgesetzt sind.
Ich denke, der Wind spielt auch eine Rolle. Die Hauswand ist vielleicht windgeschützt, deshalb hat es die Blätter noch nicht heruntergeblasen?
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Das kann man nicht ausschließen, wie ich im letzten Satz bemerkt habe. Unabhängig davon sollte jedoch die Einfachverglasung in öffentlichen Gebäuden heute „no go“ sein. Dank dir für deinen Kommentar!
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