Manchmal erbarmt sich der Winter der kahlen Reste der Blumen, Sträucher und Bäume und stattet sie mit nadelartigen Ersatzblättern aus Eiskristallen aus. Das sieht nicht nur schön aus, sondern ist auch physikalisch interessant. Damit diese kalte Raureif-Belaubung entstehen kann, müssen die Temperatur einige Grade unter null Grad liegen und die Wasserdampfkonzentration in der Atmosphäre sehr hoch sein (relative Feuchte über 90%).
Die Wassermoleküle verspüren unter derartigen Bedingungen die Tendenz, sich an kalten Gegenständen niederzulassen und ihren Beitrag zur Bildung eines Eiskristalls zu leisten. Am liebsten docken sie sich an bereits bestehende Kristalle an. Dadurch gehen der Umgebung des wachsenden Kristalls Wasserdampfmoleküle verloren und das weitere Wachstum wird entsprechend gebremst. Daher wächst der Kristall in Regionen hinein, in denen die Wasserdampfkonzentration noch nicht gesunken ist, und das heißt, vom Ursprung weg nach außen. Zwar kommt es durch Diffusion zu einem Konzentrationsausgleich, aber dieser Prozess läuft im Vergleich zu anderen Transportvorgängen sehr langsam ab. Luftbewegungen, durch die frischer Wasserdampf herangeführt wird, sorgen für einen wesentlich effektiveren Nachschub. Das erklärt zum einen die nadelartige Struktur der Kristalle und zum anderen, dass sie bevorzugt gegen die Windrichtung dem Nachschub entgegen wachsen.
Bevor die bewegte Luft die hinteren Bereiche erreicht, ist sie bereits langsamer und vor allem eines Teils der Wassermoleküle beraubt. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch dort Kristalle wachsen, wesentlich geringer. Möglicherweise kommt noch hinzu, dass die Luft durch die bei der Kristallisation freigesetzte Kristallisationswärme nicht nur ärmer an Wassermolekülen sondern auch wärmer geworden ist, was die Wachstumswahrscheinlichkeit am anderen Ende des Zweiges weiter vermindern würde.
Bei Nebel tragen auch winzige unterkühlte Wassertröpfchen zum Wachstum der Kristalle bei.
Aufgrund anderer Erfahrungen mit dem Wind, würde man aus der bevorzugten Wachstumsrichtung der Raureifnadeln vielleicht intuitiv gerade die umgekehrte Windrichtung vermuten. Ein Argument könnte dabei sein, dass die fragilen Nadeln vor dem Wind geschützt entstehen.
Schaut man sich die Orientierung der Nadeln an die Zweigen genauer an, so kann man neben der eindeutigen Orientierung zu einer Seite erkennen, dass die Nadeln nicht alle in dieselbe Richtung wachsen. Grund dafür ist zum einen die Tatsache, dass konkurrierende Nadeln einander meiden. Zum anderen neigen sich die immer schwerer werdenden Zweige von Zeit zu Zeit nach unten. Offenbar muss hier jeweils eine Schwelle überschritten werden, bevor ein neuer tieferer Gleichgewichtszustand eingenommen wird. Dieser hält dann aber auch wieder eine ganze Zeit vor, bevor der Zweig erneut ein Stück weiter sinkt. Die auf den Zweigen fest sitzenden Nadeln werden auf diese Weise aus der ursprünglichen Wachstumsrichtung herausgedreht.
Enorm!
Was für ein Wissen Du ausbreitest.
Hier scheint mir jemand am Werke gewesen zu sein, der es unbedingt genau wissen wollte.:-)
Nachvollziehen muß ich es aber noch mind. ein 2tes Mal.
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Es tut mir leid, dass ich es nicht verständlicher hingekriegt habe. 🙂
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Ich habe den Artikel nochmal gelesen und finde ihn nun sehr gut verständlich.
Vielleicht war es gestern einfach zu spät. 😉
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Du gibst auch nie auf.🙂
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Du gibst auch nie auf. 🙂
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