Im Kunstmuseum Wolfsburg ist zurzeit eine beeindruckende Ausstellung unter dem Namen “Never ending Stories” zu besichtigen und vor allem zu erleben, die sich mit dem Loop in Kunst, Film, Architektur, Musik, Literatur und Kulturgeschichte befasst. Dort steht man dann zum Beispiel vor einer Kamera, die ein Tonband filmt wie es dabei ist die Geräusche der Kamera aufzunehmen, die das Tonband filmt.
Oder aber man lässt sich durch eine Modelleisenbahn beeindrucken, die vom Bezugssystem des Beobachters aus gesehen nicht von der Stelle kommt, weil sich die Schienen unter ihren Rädern mit derselben Geschwindigkeit in die entgegengesetzte Richtung bewegen. Beides erinnert sehr stark an alltägliche Situationen, an eigene Handlungsweisen, an den Fortschritt, der vielleicht doch nur eine Art rasender Stillstand ist.
Neben diesen und zahlreichen anderen Loops und gefühlten Unendlichkeiten erlebte ich mit einem Freund eine Form der scheinbaren Wiederholung in einem dunklen Labyrinth. Ihm war nur zeitweise zu entkommen, indem wir aufmerksam auf helle und daher schemenhaft sichtbare Türen stießen, die jeweils den Eintritt in ein Badezimmer eröffneten (siehe Foto). Immerhin waren diese hell erleuchtet. Ging man dann zur anderen Tür wieder hinaus, so befand man sich erneut in dem dunklen Gang. Oder war es ein anderer? (Im dunklen ist es eh egal.) Von dort fanden wir dann wieder eine Tür und fragten uns schließlich, ob wir uns in einer Schleife befanden, aus der wir nicht ohne weiteres wieder herauskamen.
Nachdem wir die Prozedur: „Öffnen einer hellen Tür, Betreten eines immer gleich aussehenden Badezimmers, Verlassen desselben durch eine zweite Tür“ einige Male durchlaufen hatten, fanden wir heraus, dass die Schleife, wenn wir denn in einer solchen waren, nicht unendlich sein konnte. Zum einen sprach die Topologie dagegen, die wir nun sorgfältig überprüften, zum anderen hatte ich mir individuell erscheinende Details gemerkt, z.B. die Form der Gummidichtung des stets wieder erscheinenden offenen Abflusses, die unmöglich völlig identisch reproduzierbar sein konnte. Es stellte sich heraus, dass es in der Tat geringfügige Unterschiede gab. Das machte Mut, denn unendlich viele Badezimmer konnten unmöglich in einem endlich großen Museum untergebracht sein. Die Erleichterung darüber erleichterte uns, den letzten Abschnitt des Weges durch die Badezimmer zu gehen.
Und als wir dann endlich durch eine letzte Tür den Ausgangspunkt des glücklicherweise doch endlichen Loops erreichten und in die hell erleuchtete Ausstellungshalle zurück gelangten (Die Erde hat mich wieder), waren wir doch froh, der Falle der Unendlichkeit entkommen zu sein. Die Aufsichtsperson verriet uns hinter vorgehaltener Hand, dass es wirklich nicht unendlich viele Badezimmer waren, sondern nur 20. Merkwürdig, wie diese an sich überschaubare Zahl so potenziert erfahren werden kann und merkwürdig auch, dass man im Alltag ständig ohne zu murren ähnliche Wiederholungen in Kauf nimmt.
Die Repetitionen haben schon viele Autoren aufgewühlt (zeitlich formuliert) bzw. können u.a. aufwühlend anklingen (formuliert als zeitloser Existenz-Aspekt).
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Vielen Dank für den Hinweis!
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Gerne. Das Zirkuläre (z.B. im Buddhismus), die Spirale der nichtidentischen Repetition bei Jacques Derrida, und das Rhizom bei Gilles Deleuze sind bildlich und philosophisch unterschiedliche Konzepte oder Heuristiken.
Auch interessant ist für mich das Möbiusband.
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Diese Aspekte werden mit unterschiedlichen Medien ebenfalls in der Ausstellung angesprochen.
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Klingt überaus spannend. In Wolfsburg sind immer mal wieder ein paar interessante Aussstellungen zu sehen (die letzte, die ich dort besuchte, ging über moderne südamerikanische Künstler). Herzlichen Dank für den Tipp! (In der dritten Zeile hat sich ein „der“ zuviel („… dem Der Loop …“) eingeschlichen). Liebe Grüße!
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Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich teile deine Einschätzung, dass Wolfsburg immer mal wieder schöne und interessante Ausstellungen bietet. Danke auch für den Hinweis auf den Fehler. Liebe Grüße, Joachim.
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Schade, daß es nicht mehr solcher Museen gibt.
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Ja, man muss schon suchen und möglicherweise weit reisen, um so etwas zu erleben.
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