Das Verhalten von Sand unter unregelmäßigen und regelmäßigen mechanischen Einwirkungen ist auf dieser Seite schon öfter angesprochen worden. Man denke etwa an den Wind in der Wüste oder in mechanische Schwingungen versetzte Sandkörner. Dabei standen vor allem physikalische Aspekte im Vordergrund. Die ästhetische Dimension war dabei jedoch nicht zu übersehen.
Im Kunstmuseum Wolfsburg ist zurzeit eine Sandspirale von Günther Uecker (*1930) aus dem Jahre 1970 zu sehen, die einerseits an einen japanischen Zengarten (Kare-san-sui (jap. 枯山水, dt. „trockene Landschaft“) erinnert, zum anderen aber ganz im Sinne der Ausstellung die Nichtwiederholbarkeit symbolisiert. Trotz einer zyklischen Bewegung, der ständigen Wiederholung eines Vorgangs geschieht in jedem Zyklus etwas anderes.
Konkret rotiert hier eine lange Holzlatte, die zahlreiche auf dem Sand aufliegende Fäden mit einem Knoten hinter sich herzieht und auf diese Weise ein spiralförmiges Muster in den Sand zeichnet. Beim nächsten Umlauf, der wegen der Sensitivität der Situation nicht völlig identisch mit dem jeweils vorausgegangenen ist, wird das bisherige Sandmuster mehr oder weniger vollständig zerstört. Die alten Spuren werden gelöscht und neue geschaffen. Vergänglichkeit und Neubeginn, Augenblick und Ewigkeit liegen in diesem sich ständig wiederholenden Vorgang dicht beieinander. Der Künstler hat in diesem Zusammenhang die Sandspirale einmal „kinetisches Memento Mori“ genannt.
Die Kinetik macht sich deutlich in den Mischungs- und Entmischungsvorgängen der aus hellen und dunklen Sandkörnern zusammengesetzten Sandfläche bemerkbar. Da die Farben der Sandkörner nicht nur einen optischen Unterschied bedeuten, sondern auch auf eine unterschiedliche Dichte hinweisen, ist es nicht verwunderlich, dass durch die Einwirkung mechanischer Kräfte teilweise helle von dunklen Körnern getrennt werden. Konkret werden durch die Störungen der umlaufenden Fäden beispielsweise Lawinen in dem konzentrischen Riffelgebirge ausgelöst, wobei durch Segregation eine Trennung nach hell und dunkel erfolgt. Oder die in den Tälern getrennt liegenden hellen und dunklen Körner werden durcheinander gewirbelt und getrennt.
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