Ein Buch ist ja keine Drehorgel, womit uns der Invalide unter dem Fenster unerbittlich die Ohren zermartert. Ein Buch ist sogar noch zurückhaltender als das doch immerhin mit einer gewissen offenen Begehrlichkeit von der Wand herabschauende Bildnis. Ein Buch, wenn es so zugeklappt daliegt, ist ein gebundenes, schlafendes, harmloses Tierchen, welches keinem was zuleide tut. Wer es nicht aufweckt, den gähnt es nicht an; wer ihm die Nase nicht grad zwischen die Kiefern steckt, den beißt`s auch nicht.
Wilhelm Busch (1832 -1908)
Was dem Ruhm und der Unsterblichkeit manches Schriftstellers ein größeres Hindernis in den Weg legt, als der Neid und die Bosheit aller kritischen Journale und Zeitungen zusammengenommen, ist der fatale Umstand, daß sie ihre Werke auf einen Stoff müssen drucken lassen, der zugleich auch zu Gewürzduten gebraucht werden kann.
Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)
Ich möchte hinzufügen: Erst aufgeweckte Bücher können aufgeweckte Menschen hervorbringen.
So sähen Bücher aus, wenn man den Vorgang der Papierherstellung und des Druckens überspringt. Ich denke bei dem Anblick direkter an Bäume, Bäume, um sich darunter eigene Gedanken entwickeln zu lassen. Aber das ist modernes Romantisieren, im Gegensatz zu Lichtenbergs Leid wegen des unwürdigen Materials das benötigt wird, um hochentwickeltes Gedankengut zu transportieren – eine Sichtweise des Menschen bezüglich seiner Umwelt als Lieferant für seine Wünsche, die leider immer noch nicht überwunden ist.
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Das sehe ich nicht nur genauso, sondern es ist auch sehr schön gesagt.
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Ein Feng- Shui-Berater würde dem guten Wilhelm-Busch widersprechen und sagen, die Rücken von Büchern sind wie auf die Bewohner des Hauses gerichtete Messer. Doch obwohl ich der Lehre des Feng-Shui einiges abgewinnen kann, da vieles den harmonischen Gesamteindruck eines Raumes verbessert und damit auch zum Wohlbefinden beiträgt, habe ich mich von meinen Büchern noch nie bedroht gefühlt und teile die Meinung, dass man sie regelmäßig aufwecken muss. Dabei fällt mir ein, dass ich vielleicht mal wieder Moers lesen sollte.
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Leider reicht der „Feng-Shui“-Wind nicht aus, meine Bücher zu entstauben. Das muss ich schon selbst machen. Dabei habe ich das Gefühl, die sanft eingenickten Bücher zuweilen zu wecken. Dabei erlebe ich mich manchmal auf der Leiter stehend mit einem aufgewecktes Buch und bin froh, dass mich keine so gesehen hat.
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🙂
Ich fühle mich ja oft gedrängt, die Bücher in den Regalen so zu ordnen, dass sie sich miteinander wohlfühlen.
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Über diesen Ausspruch hätte Lichtenberg sich gefreut. 🙂
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