Beim Flanieren in weniger bekannten Orten ist meine Aufmerksamkeit auch auf Gegenstände und Phänomene gerichtet, die einen naturwissenschaftlichen Hintergrund haben. Dazu zählen insbesondere Sonnenuhren. Bei meinem jüngsten Aufenthalt in München, habe ich mir einmal mehr die Sonnenuhr des Münchener Doms, der Frauenkirche, angesehen. Sie war beim letzten Besuch außer Betrieb, weil die Sonne sich hinter den Wolken verbarg. Auch diesmal sah es nicht gut aus. Also ging erst einmal in den Dom hinein. Es ist ein beeindruckend großes Bauwerk, das angeblich bis zu 20 000 stehenden Menschen Platz bietet. Als im Innern des Doms plötzlich die Kirchenfenster farbige Sonnentaler auf die Wände projizierten, eilte ich hinaus, um an der auf der Südseite des Doms angebrachten imposanten Sonnenuhr die Ortszeit abzulesen. Wie man auf dem Foto erkennen kann, war es etwa 10 Uhr. Diese Sonnenuhr zählt mit einer Fläche von 45 Quadratmetern zu den größten Deutschlands. Sie stammt noch aus der Zeit (1514), da die in Kirchen betriebene Astronomie noch im Einklang mit dem allgemein akzeptierten geozentrischen Weltbild stand. Das sollte sich bald ändern, was in der Verbrennung von Giordano Brunos (1548 – 1600) und der Verurteilung Galileo Galileis (1564 – 1642) zum Widerruf seiner Überzeugung vom heliozentrischen Weltbild ihren unrühmlichen Höhepunkt fand.
Die Sonnenuhr zeigt durch die Position des Gnomonschattens die Tageszeit an und durch die Länge des Schattens auch den Ort der Sonne in den entsprechenden astrologischen Zeichen. Es ist nicht bekannt, wie die Sonnenuhr in ihrer ursprünglichen Form ausgesehen hat.
Es gibt einen großen Atem in diesen Sonnenuhren. Viel weiter als heute bettete der Mensch sein Leben ein. Das scheint ein Widerspruch zu sein, denn heute ist das wahrgenommene Weltall ja sehr viel größer geworden. Doch was ist die Folge? Unser Lebensrhythmus folgt dem abstrakten Ticken einer Uhr.
https://gerdakazakou.com/2016/12/31/die-uhr-sie-tickt-ticketack/ oder https://gerdakazakou.com/2017/11/09/sonnenuhr-feder-und-mehr/
Herzliche Ostergrüße!
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Du sagst es. Mit den Uhren hat sich der Mensch von den natürlichen Zeitrhythmen abgekoppelt und sich damit unabhängiger gemacht. Vielen Menschen wird aber auch klar, dass wir dadurch etwas unwiederbringlich verloren haben. Was früher natürlich gegeben war, können wir uns heute nur aktiv und begrenzt auf bestimmte Momente wiederholen.
Vielen Dank für deine lieben Osterwünsche, die ich hiermit herzlich erwidere.
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Ich muß gestehen, daß mir diese Sonnenuhr noch nie aufgefallen ist. Und wenn ich irgendwo bin, geh ich normalerweise mit der Kamera auf die Pirsch nach Sonnenuhren. Muß ich mir unbedingt für meinen nächsten München-Besuch vormerken.
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Viele Städte haben Sonnenuhren. Sie sind aber oft so schlecht dokomentiert, dass man sich kaum darauf vorbereiten kann und sie nur durch Zufall entdeckt. Dann die Freude eines Flaneurs besonders groß :-).
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