Oll Drift: en oll Weg, op den Veeh dreven warrt.
In Ostfriesland spricht man teilweise noch Plattdeutsch. Aber Vieh wird kaum noch über alte „Driften“ getrieben und die Natur erobert sich den Weg wieder zurück. Das Schild weist in Richtung eines abzweigenden Weges, der als solcher nur noch erahnbar ist. Damit Radfahrer trotzdem nicht auf den Gedanken kommen, hier abzubiegen, werden sie mit einem modernen Schild dazu angehalten geradeaus weiter zu fahren.
Das sich zunehmend dem Boden zu neigende Schild scheint mir nicht nur sich selbst und seine Botschaft allmählich zum Verschwinden zu bringen, sondern gewissermaßen symbolisch auch die plattdeutsche Sprache und Kultur.
Andererseits gibt es mehr Förderbestrebungen als früher, das „Platt“ im Bewusstsein zu halten und dazu gehören auch die alten niederdeutschen Namen auf Ortsschildern, die seit einigen Jahren ausdrücklich von den Landtagen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und seit dem vorigen Jahr auch für Nordrhein-Westfahlen genehmigt werden.
In Sachsen und Brandenburg gibt es wegen des Sorben/Wenden-Gesetzes von 2014 zweisprachige Ortstafeln, bei uns hier im Hannoverschen Wendland mit seiner Mischform, einer wendisch-platten Variante würde es schwierig, sowohl dem einen als auch dem anderen gerecht zu werden, aber ich fände es schön zu sehen, obwohl ich selbst keine familiengewachsene Zugehörigkeit dazu habe, sondern einfach nur meine „Hör mal ’n beten to“-Radiobildung später auf dem Dorf passiv anzuwenden gelernt habe.
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Das stimmt, aber diese Bestrebungen haben etwas Folkloristisches und Gewolltes. Solange es im Alltag keine natürlichen Möglichkeiten des Austausches in Plattdeutsch gibt unterstützt durch ein entsprechendes Fach in der Schule und möglicherweise attraktive regionale Rundfunk- und Fernsehsendungen, erreicht man vermutlich wenig. „Hör mol `n beten to“ ist natürlich besser als gar nichts, aber ist natürlich nicht nachhaltig. Aber die Veränderung des Alltags im Zuge der Globalisierung ist da wohl nicht aufzuhalten. Wenn ich sehe, dass Universitäten bereits Vorlesungen in Englisch abhalten, auch wenn fast nur Deutsche anwesend sind, so könnte man darin bereits den nächsten Schritt in Richtung globaler Vereinheitlichung sehen.
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Ich sehe das Verschwinden der Dialekte zwar auch ungern, aber habe durch meine eigene Familienbiographie dann mehrere Fragezeichen über dem Kopf, denn von meiner ostpreussischen Vaterseite habe ich durch die Grossmutter und Vater recht viel vom „Ostpreussischen Platt“ mitgegeben bekommen, gelegentlich von der Mutterseite etwas Altmärkisches Platt, und aus meiner damaligen und wieder heutigen Umgebung das mit wendischen Ausdrücken nur noch schwach durchsetzte Platt der Region um Lüchow aufgeschnappt. Nur 23 Km bis Arendsee, aber ganz anders. Ich habe im Sauerland gelebt, in Bayern mit Kind, im Burgenland mit zwei Kindern und mit Partner aus dem alemannischen Sprachraum. Mit meinen Kindern musste ich mich bei den Hausaufgaben auf das Österreichische Schulwörterbuch einstellen, das im Grunde eine Art gesamtöstereichischen Konsens-Hochdialekt beinhaltet. Was ich damit sagen will ist, dass ein Bestreben, Dialekte als Pflichtfach in der Schule zu pflegen, in der Summe vieler durch die Mobilität im Berufsleben heute ganz normaler Einzelfälle zu einem unpraktikablen Bildungs-Chaos führt. Es reichte für meinen Sohn völlig aus, dass er in der Grundschulzeit zuhause von den Eltern Hochdeutsch und Badisch hörte, von der Umgebung Burgenländisch und zudem in der Schule Englisch- und Ungarisch-Unterricht hatte.
Was dann das Bildungssysten im Hochschulbereich spielt, ist im dagegen eher dem Berufsalltag in internationalen Firmen vergleichbar.
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Du hast natürlich recht. Deine im Übrigen sehr interessante und vermutlich auch anregende Biografie ist heute kaum noch eine Ausnahme. Ich wollte mit meinem Ansinnen des vor Ort gesprochenen Dialekts eigentlich nur andeuten, wie man allenfalls den Zerfall der regionalen Sprachen retten könnte, ohne selbst so richtig daran zu glauben, dass es möglich ist. Letztlich bleibt es wohl beim Folkloristischen.
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Auf dem Schachbrettblumenfest in Obersinn traf ich eine Frau, urspr. aus Bad Kissingen, die ein Buch anbot mit Dialekt-Gedichten aus Obersinn. Ich glaubte, einzelne Worte sprechen zu können, sie korrigierte mich in einem, dabei anmerkend, daß sie selbst nicht des Dialekts voll mächtig ist und von Einheimischen dabei belächelt wird.
Die Feinheit der Ausprägung selbst in einem einzelnen Wort kann man unmöglich nachmachen, man muß sie mit der Muttermilch aufgesogen haben.
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Als ich vor langer Zeit (Vornavi-Zeit) in einem kleinen Ort in Ostfriesland mit einer Anwohnerin ins Gespräch kam, nachdem uns jemand in Platt nach dem Weg gefragt hatte, meinte sie, dass der das eigentlich selbst hätte wissen müssen. Auf meine Nachfrage erklärte sie, dass der Mensch aus der Nachbargemeinde komme, das habe sie an der Aussprache gemerkt. So fein können die Nuancen in ein und derselben Sprache bzw. im selben Dialekt sein.
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