Ucke, Chr.; Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 4)/3 (2018) S. 138 – 141
Das wenig verbreitete Kettenthermometer hat eine unübliche Anzeige: niedrige Temperaturen sind oben auf einer Skala abzulesen, hohe Temperaturen unten. Das erklärt sich aus der Konstruktion. Es lässt sich mit passablem Aufwand selbst bauen.
Die im thüringischen Ort Mellenbach-Glasbach ansässige Firma Möller-Sommer-Therm [1] hat etwa um 1990 das sogenannte Kettenthermometer entwickelt und mit zwei Schriften beim Deutschen Patentamt angemeldet [2, 3]. Das Thermometer wurde auch bis etwa 2004 produziert, war allerdings nie sehr verbreitet. Es ist heute relativ unbekannt und kaum noch erhältlich [4]. Es ist eher ein dekoratives Element als ein genaues Messinstrument. Die Messskala ist gerade umgekehrt wie sonst üblich: die großen Temperaturwerte befinden sich unten, die kleinen oben. Daher verleitet eine solche Skala leicht zu Fehlablesungen, da wir gewohnt sind, zunehmende Werte auf senkrecht angeordneten Skalen oben zu finden.
Das Thermometer wurde und wird darüber hinaus meist unter die Galilei-Thermometer eingruppiert, insbesondere im angelsächsischen Sprachraum. Diese Zuordnung ist jedoch definitiv nicht zutreffend, denn darunter werden üblicherweise Instrumente verstanden, bei denen eine begrenzte Anzahl von Kugeln in einem zylindrischen Gefäß schwimmen und bei denen nur eine stufenweise Anzeige der Temperatur möglich ist (Physik in unserer Zeit 1994, 25(1), 44) [5], sozusagen das erste Digitalthermometer überhaupt. Das Kettenthermometer besitzt hingegen eine analoge Skala mit prinzipiell beliebig feiner Ablesung. Wie das originale Galilei-Thermometer braucht auch dieses Instrument leicht eine Stunde, bis es sich bei einer plötzlichen Temperaturveränderung einem neuen Gleichgewicht genähert hat und eine sinnvolle Ablesung möglich ist.
Im Prinzip ähnlich funktioniert ein Aräometer, auch Senkwaage oder Densimeter genannt. Es dient zur Bestimmung der Dichte von Flüssigkeiten. Auch hier nehmen die am Instrument abzulesenden Werte von unten nach oben ab. Darin kommt der bei beiden Messgeräten ausgenutzte Zusammenhang zwischen Dichte und Temperatur zum Ausdruck.
Konstruktion
An der Unterseite des in der Flüssigkeit unter der Oberfläche schwimmenden Messkörpers (Kugel in Abbildung 1) ist eine dünne, flexible und hinreichend lange Kette befestigt, dessen Dichte größer ist als die der Flüssigkeit. Das Ende der Kette liegt auf dem Behälterboden lose auf. Mit steigender Temperatur nimmt die Dichte der Flüssigkeit ab, der Messkörper sinkt und legt so viele Kettenglieder auf dem Boden ab, bis Auftriebs- und Gewichtskraft wieder im Gleichgewicht sind.
Wie beim normalen Galilei-Thermometer werden Flüssigkeiten mit hohem kubischen Ausdehnungskoeffizienten verwendet, deren Zusammensetzung die Produzenten geheim halten. Aus den Anmeldungen beim Deutschen Patentamt stammen die beiden Zeichnungen weiterer Variationen von Kettenthermometern (Abbildung 2). Die linke Version [3] verfügt über zwei an dem Messkörper und an gegenüberliegenden Seiten der Zylinderinnenwand angebrachte Ketten. Dadurch wird der Messkörper in der Mitte des Gefäßes zentriert. Die rechte Version [4] ermöglicht ein freies Bewegen der beiden Schwimmkörper im Messgefäß. Der eine Körper schwimmt an der Oberfläche, der andere – der Messkörper – schwebt je nach Temperatur in unterschiedlicher Höhe und nimmt dabei unterschiedlich lange Teile der Kette mit. Beide Versionen vermeiden, dass sich eine bis zum Boden reichende und da aufgehäufte Kette verhaken kann. Wir verwenden dennoch aus Gründen praktikabler Realisierung für den Nachbau die ursprüngliche Ausführung mit nur einer bis zum Boden reichenden Kette…
Zusammenfassung
Kettenthermometer sind eine wenig bekannte und kaum noch erhältliche Thermometervariante. Sie ähneln auf den ersten Blick den bekannten Galilei-Thermometern, verfügen jedoch nur über eine schwebende Kugel mit anhängender Kette. Die Physik dahinter ist einfach und deswegen kann man sie mit vertretbarem Aufwand und experimentellem Geschick weitgehend mit Alltagsmaterialien selbst bauen.
PDF: Die Temperatur an die Kette gelegt (Einreichversion)
Das ist sehr schön, weil unmittelbar, direkt und einsichtig physikalische Gegebenheiten genutzt werden. 🙂
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Danke! Diese Uhr hilft, die Langsamkeit wieder zu entdecken.
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Mich würde der komplette Text sehr interessieren 🙂
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Kein Problem. Du erhältst es per email.
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