Eigentlich wollte ich nur ein Glas Stilles Wasser trinken, um den Durst zu stillen. Dabei stand ich vor dem Fenster und blickte durch das gefüllte Weinglas auf das gegenüberliegende Nachbarhaus. Obwohl ich theoretisch wusste, dass runde bauchige Gläser die Gegenstände, auf die man durch sie hindurch blickt, auf dem Kopf stehend abbilden, war ich zugegeben etwas überrascht, das Haus sowohl auf dem Kopf stehend als auch aufrecht abgebildet vorzufinden. Bei genauerer Betrachtung des Glases wird jedoch klar, dass das Glas nicht nur einen kugelförmigen Teil hat, sondern im obigen Bereich auch einen zylindrischen. Letzterem entspricht die aufrechte Abbildung, bei der nur die Seiten vertauscht erscheinen.
Interessant ist hierbei auch, wie die Natur den Übergang zwischen den beiden unvereinbaren „Welten“ hinkriegt: Die Pflasterungen des einen Bildes nähern sich zunächst der des anderen. Dann gehen sie durch eine monochrome Unendlichkeit und finden sich schließlich in der Antipodenversion in der jeweiligen anderen Welt wieder.
Damit wird der hybriden Form des Glases zwischen Zylinder im oberen und Kugel im unteren Bereich Rechnung getragen. In der Abbildung durch den wassergefüllten Glaszylinder werden links und rechts vertauscht, denn er ist (nahezu) nur in der Horizontalen gekrümmt. In der Abbildung durch die wassergefüllte Glaskugel werden sowohl links und rechts, als auch oben und unten vertauscht, denn sie ist in beiden Dimensionen, horizontal und vertikal, gekrümmt.
Nach jedem Schluck sah ich durch das leerer werdende Glas. Die Zylinderabbildung verschwand dabei als erstes, die Kugelabbildung hielt sich noch einige Zeit länger.
Wow, was für ein Effekt! Super! 👏👏👏👏👍
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Danke für deine Einschätzung! Dabei ist es doch nur ein Alltagseffekt. Im Englischen sagt man: „The arcane in the mundane“. Im Deutschen würde: „Das Geheimnisvolle im Alltäglichen“ nicht ganz so gut klingen. LG, Joachim.
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Wunderwelt. Die „monochrome Unendlichkeit“ ist nicht nur als Begriff sehr anregend. Verstehst du, wie sie hier zustandekommt?
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Solche Durchgänge durch Unendlichkeiten, man könnte auch sagen „Singularitäten“, kann man sich beispielsweise mit einem Schminkspiegel veranschaulichen, wenn man die vergrößernde Seite verwendet. Man stellt den Spiegel so auf, dass man sich oder auch eine brennende Kerze (ist noch eindrucksvoller) darin sieht und sich dann, das immer größer werdende Spiegelbild im Auge behaltend, langsam entfernt bis es durch die besagte Singularität hindurch geht und dann als kleines auf dem Kopf stehendes Spiegelbild wieder erscheint; jetzt gewissermaßen auf der anderen Seite, bzw. in der Welt der Kopffüßler.
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