Im Foyer eines älteren Gebäudes, in dem ich an mehreren Tagungen teilnahm, fielen mir merkwürdigerweise erst nach wiederholten Besuchen die Fliesen auf: Ich erkannte sie plötzlich als Hervorbringungen der Natur. Denn sie waren in einem Steinbruch aus Sandsteinfelsen herausgeschnitten worden (oberes Foto). Dadurch ergibt sich ein interessanter Rückblick in die erdgeschichtliche Vorzeit.
Denn jede Fliese erweist sich als Ausschnitt aus einem ehemaligen Sandgebiet, wie der Vergleich mit einer aktuellen Aufnahme eines Rippelmusters auf einer Düne (unteres Foto) bestätigt. Der Sand wurde durch den Auflastdruck überlagernder Ablagerungen und durch die Ausfällung von Mineralen, die im Wasser (z.B. Meerwasser) gelöst waren oder durch im Sand selbst enthaltene Minerale steinhart verfestigt.
Insbesondere die mittlere Fliese erweist sich als horizontaler Schnitt durch ehemalige Sandrippel. Im vorliegenden Fall werden die Rippel, die sich vor allem durch einen asymmetrischen wellenförmigen Querschnitt auszeichnen, der noch durch die Trennung von hellen und dunklen Sandkörnern unterstrichen wird. Natürlich kommt diese Trennung nicht dadurch zustande, dass die Körner sich farblich unterscheiden. Die Farben verweisen vielmehr auf andere physikalische Unterschiede wie Dichte und Größe. Diese Unterschiede führen dann dazu, dass sie infolge mehr oder weniger starker Bewegungen durch den Wind getrennt werden (Segregation).
Der Unterschied zwischen den beiden Rippelmustern besteht darin, dass die Fliesen aus einem versteinerten Wüsten- oder Sandstrandgebiet stammen, während die Rippel im unteren Bild noch sehr beweglich sind und nach einer stürmischen Nacht am nächsten Morgen (nach der Aufnahme) bereits durch neue ersetzt worden waren.
So gesehen ist das Foyer möglicherweise ein versteinerter Strand. Diese Vorstellung gibt der Tagung, an der ich just heute in genau diesem Gebäude partizipiere eine besondere Note.
Zum einen ist das wohl typisch und bezeichnend für Dich und auch andere Wissenschaftler, daß Du die Tagung mit diesem Sinnbild verquickst.:-)
Zum anderen stellt sich mir die Frage, wieso die Natur hier eine Zweiteilung vornimmt? Schere Körner in Spur 1 und leichtere in Spur 2. Sie könnte ja auch eine Dreiteilung oder Multiteilung vornehmen. Wieso entscheidet sie sich für die Zahl 2? Und ab welcher Größe des Sandkoerns wird entschieden: Du gehörst zu Charge 1 und Du gehörst zur Charge 2?
Wie genau wäre da die Aufteilung? Ich könnte mir vorstellen, daß das Gesetz dazu nicht eine paritätische Aufteilung ist, sondern daß vielleicht das schwere erste Drittel in Charge 1 kommt und der Rest in Charge 2.
Diese Frage ist nicht unerheblich.
Mir fällt was Ähnliches ein: In edge.org gab es einmal eine wunderbare Antwort auf eine Jahresfrage, die ich auch mal zitierte:
https://kopfundgestalt.com/2017/02/08/inverses-potenzgesetz/ I
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Ich sehe gerade, dass meine gestrige Antwort auf deinen Kommentar nicht sichtbar ist. Ich hatte dem Sinne nach geantwortet, dass die Zweiteilung durch die Beteiligung von im Wesentlichen zwei unterschiedlich dichten Gesteinsarten in Form von Sandkörnern beteiligt ist. Gleich große aber unterschiedlich schwere (dichte) Körner verhalten sich im Windstrom unterschiedlich, sodass es zu einer Trennung kommt. Davon unberührt ist die Tatsache, dass die Teilchen jeder der beiden Arten in der Größe variieren, was auch noch Anlass zu einer Anordnung nach Größe führen kann. Das lässt sich gut erkennen, wenn man sich die Rippel vor Ort etwas genauer anschaut.
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Danke, Joachim!
Man könnte weiterfragen: Gäbe es drei grundsätzlich verschiedene Dichten vor Ort, weil drei Gesteinsarten beteiligt wären, würden sich da drei Bahnen bilden? Wie unterschiedlich dicht /schwer müssten die Körner sein, damit drei Fahnen entstehen?
Vielleicht ist das Prinzip eigentlich immer eine „Zweiteilung“.
Anders gefragt, bestünde überhaupt „Interesse der Natur“, eine Drei- (oder Mehrfach)teilung vorzunehmen? Kann sie das überhaupt? Gäbe es solche Vorgänge mit anderen Beteiligten und wenn ja, warum? Was wäre physikalisch in dem einen oder anderen Fall dazu nötig?
Noch mehr Fragen gibt es, tauchen bei mir auf.
Es ist schon faszinierend.
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Carl Friedrich von Weizsäcker, bei dem ich vor vielen Jahren Philosophie studiert habe, hat mal eine Definition von Philosophieren gegeben. Er sagte (sinngemäß): Philosophieren heißt, nicht aufhören weiter zu fragen. Daran erinnert mich dein Kommentar.
Im Prinzip müsste es bei mehr als 2 unterschiedlichen Dichten auch eine entsprechende Sortierung der Sandkörner geben. Doch da außer den Extremen „heller und dunkler Sand“ weitere Farbdifferenzierungen schwer zu erkennen sind, wird man Schwierigkeiten haben, entsprechende Muster zu finden. Dazu wäre wohl ein „closer look“ nötig und eine Dichtebestimmung der verschiedenen Körnchen, also sehr aufwändig. Denn es gibt ja auch beim selben Material eine gewisse Bandbreite von Farben. Und unterschiedlich dichtes Material muss sich nicht unbedingt signifikant in der Farbe unterscheiden. Also eine schwierige Frage. Ich bin nicht gut genug informiert über derartige geologische Untersuchungen.
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Man könnte sicher in einem Labor solche Phänomene studieren – wenn es praktischen Nutzen mit sich brächte.
Etwa mit drei Körnchensorten unterschiedlicher Dichte und Farbe. Aber wer weiß, was da alles ins jeweilige Ergebnis reinspielen könnte 😉 – und man müsste dann das jeweilige Ergebnis „draussen“ verifizieren…. bis dann irgendjemand plötzlich Verfahrensfehler feststellt….
Entschuldige das Ausschweifen 🙂
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Laborversuche gibt es mit Sicherheit zur Dünen- und Sandrippelbildung. Ich habe in einem etwa anderen Zusammenhang, nämlich dem „singenden Sand“ (https://hjschlichting.wordpress.com/2017/12/04/musikalischer-sand/) Bekanntschaft mit der Fachliteratur gemacht und war geradezu erschlagen von der Fülle der Arbeiten, die zur Thematik des windbewegten Sandes existiert. Schwierig ist es oft, die wesentlichen Aspekte zu erkennen und allgemein verständlich zu formulieren.
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Was Du da erwähnst, wirft ein Licht auf die ungeheure Fülle dessen, was erforscht wird. Egal um welchen Wissenschaftszweig es sich handelt, es ist einfach unglaublich. 🙂
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Das stimmt und es wird immer schwieriger einen einigermaßen verlässlichen Überblick zu behalten.
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HAllo Herr Schlichting! Vielen Dank für das anregende und interessante Seminar gestern in Neustadt, und für die vielen Unterlagen, besonders auch in Digitalform. Meinen Siebtklässlern werde ich gleich nächste Woche mal das Bild mit den zwei Autos zeigen. Ich hatte den Unterschied zwischen diffuser und gerichteter Reflexion bei denen schon angesprochen, aber mir war nicht so bewusst, dass man oft beides hat. Viele Grüße, Andreas Wittig
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Hallo Herr Wittig. Besten Dank für Ihren Kommentar und Ihre engagierte Teilnahme am Seminar. Dass Sie die nicht ganz leichte Problematik von diffuser und spiegelnder Reflexion mit Siebtklässlern ansprechen wollen finde ich sehr konsequent, denn rein spiegelnde und rein diffuse Reflexionen sind ideale Grenzfälle, die in der Realität kaum auftreten. Normalerweise sind beide Reflexionsarten beteiligt, wobei es nicht nur von der Beschaffenheit der Objekte (glatte vs. matte Oberfläche) abhängt, sondern auch von den Beobachtungsbedingungen, welche der beiden Arten in einer gegeben Situation auffälliger ist. Die beiden Autobilder schicke ich Ihnen (muss sie nur noch suchen). Viele Grüße, Joachim Schlichting.
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