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Physikalisches Spielzeug & Freihandversuche, Rubriken: "Spielwiese" und "Blickwinkel"

Schlaffer Faden – straffer Loop

Schlichting, H. Joachim; Suhr, Wilfried. Physik in unserer Zeit 4 (2018) 196-199

Ein zu einer Endlosschleife geschlossener Faden lässt sich in einer Pfeife durch Pusten in einen stabilen Rotationszustand versetzen. Der Luftwiderstand des Fadens erweist sich als wesentlich für den Antrieb und die Stabilisierung des Spielzeugs.

Die Seilschleuder hat durch die zunehmende Verbreitung von Science Centern in den letzten Jahren eine gewisse Bekanntheit erlangt. Sie beeindruckt vor allem dadurch, dass ein zu einer Schlaufe verknüpftes Seil in eine stationäre Rotationsbewegung gebracht werden kann, wobei das Seil durch innere Zugkräfte versteift und stabilisiert wird (Physik in unserer Zeit 2018, 49 (2), 80). Eine ganz ähnliche Vorrichtung in Kleinformat ist seit langem, vermutlich wesentlich länger als die Seilschleuder, als einfaches Spielzeug bekannt und wird von diversen Anbietern im Internet unter anderem als String Pipe oder String-Corn-Pipe vertriebenen (s. „Bezugsquellen“, S. 199). Lediglich in einem schmalen Buch über physikalisches Spielzeug aus dem Jahre 1982 findet es eine kurze Erwähnung [1]. Eine physikalische Erklärung sucht man jedoch dort und anderswo vergeblich.
Da dieses von uns im Folgenden mit Loopingpfeife bezeichnete Spielzeug eine große Verwandtschaft mit einer im Loopingmodus betriebenen Seilschleuder aufweist, lässt sich die physikalische Beschreibung weitgehend übertragen. Unter Loopingmodus verstehen wir dabei den indifferenten Rotationszustand, bei dem auch das untere Ende des Fadens frei in der Luft schwebt.

Der geblasene Loop
Eine Loopingpfeife lässt sich in wenigen Minuten aus Alltagsmaterialien herstellen. Dazu versieht man einen Knick-Trinkhalm an der Außenseite des Knicks mit einem kleinen Loch, durch das ein zu einer Schlaufe verknüpfter Faden laufen kann. Bläst man durch das freie Ende des Rohres, so richtet sich der Faden sofort zu einer loopingartigen Bewegungsfigur auf und behält diese solange bei, wie Luft mit ausreichender Geschwindigkeit durch das Rohr geblasen wird.
Allerdings bleibt der Faden leicht an dem Knoten im Loch hängen, der seine Enden verbindet. Es empfiehlt sich daher eine verbesserte Variante, bei der außerdem die Umströmung des Fadens optimiert wird.
Bei allen uns vorliegenden kommerziellen Versionen der Loopingpfeife wird die Luft nicht direkt in das Rohr geblasen, durch das der Faden läuft, sondern sie gelangt zunächst in eine Art Druckausgleichsgefäß, aus dem sie allseitig von unten in das nach oben gerichtete Antriebsrohr einströmt.
Die Verwandtschaft der Loopingpfeife mit der Seilschleuder ist offensichtlich, lediglich der Antrieb geschieht auf eine andere Weise. Während bei der Seilschleuder das Seil durch zwei gegenläufige Rollen in Gang gehalten wird, treibt bei der Loopingpfeife der durch das Antriebsrohr geblasene Luftstrom den Faden an.
Das in Abbildung 3 gezeigte, kommerzielle Exemplar hat die Form einer Flasche. Das Innenleben ist äußerst einfach. Um das festzustellen, kann die untere mit dem Korpus verklebte Abdeckung vorsichtig mit einem Messer gelöst werden. Um die so modifizierte Pfeife zu betreiben, genügt es, die Abdeckung mit einer Papierdichtung stramm in den Boden zu drücken oder sie beim Pusten mit dem Daumen festzuhalten.
Diese leicht zu realisierende Methode, die Pfeife zu öffnen und wieder zu verschließen ermöglicht zudem den problemlosen Wechsel unterschiedlicher Fäden. Dabei entdeckt man, dass sich zur Ausbildung des Loopings Fäden umso besser eignen, je leichter und flauschiger sie sind. Feine, leichte Wollfäden sind schweren und glatten vorzuziehen, weil letztere oft nur mit großem Pusteaufwand oder überhaupt nicht in Rotation versetzt werden können. Erstaunlich ist auch, dass trotz des natürlicherweise begrenzten Pustevermögens meterlange Fäden in einen Loopingzustand versetzt werden können.
Der Antrieb der Bewegungsfigur ist offensichtlich: Zwischen dem faserigen Faden und der strömenden Luft erfolgt eine Kopplung. Dadurch wird er beschleunigt, bis die bremsende Luftwiderstandskraft außerhalb dieser Antriebsstrecke gleich groß geworden ist und sich ein stationärer Bewegungszustand einstellt.
Wie bei der Seilschleuder im Loopingmodus, handelt es sich bei der bremsenden Kraft nicht um einen im Prinzip zu vermeidenden Reibungseffekt; vielmehr spielt er für die Aufrechterhaltung des Loopings eine konstitutive Rolle. Die Besonderheit der Loopingpfeife besteht aber darin, dass die Wechselwirkung des Fadens mit der Luft sowohl eine antreibende als auch eine bremsende Funktion erfüllt, durch die sich der stationäre Gleichgewichtszustand einregelt und stabilisiert.
Wegen dieser antagonistischen Wirkung der Luftwiderstandskräfte müssen sich die jeweiligen Kopplungskonstanten pro Fadenlänge (ausgedrückt durch einen spezifischen Widerstandsbeiwert) notwendigerweise unterscheiden. Der Widerstandsbeiwert muss im Antriebsrohr größer sein als außerhalb… (weiterlesen PDF).

 

Diskussionen

5 Gedanken zu “Schlaffer Faden – straffer Loop

  1. Sehr schöner und verständlicher Text.
    Ich hatte ihn schon gestern Nacht versucht zu lesen, aber dafür war mein Gehirn dann doch nicht mehr in der Lage.

    Eine Anmerkung:
    „..aus dem sie allseitig von unten in das nach oben gerichtete Antriebsrohr einströmt.“

    „Allseitig“: Meint das., daß die Luft gleichmässig durch den Eintrittsquerschnitt eintritt? Beim Blasen mit dem Trinkhalm strömt die Luft quasi um die Ecke ins Rohr und wird sich wohl erst spät zu einem gleichmässigen Strom stabilisieren.

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    Verfasst von kopfundgestalt | 4. Juli 2018, 14:05
    • Alle Achtung, denn ganz so einfach ist der Text nun auch wieder nicht. Das Kraftkonzept gehört zu einem der schwierigsten in der Schulphysik. Was deine Frage betrifft: Man bläst die Luft in eine Luftkammer, in der sie unter Druck gerät und aus der sie durch das nach oben gerichtete Röhrchen wieder austritt. Man kann also davon ausgehen, dass die Luft in der Kammer vor Eintritt in das Röhrchen „vergessen“ hat, aus welcher Richtung sie kam und nunmehr allseitig einströmen kann.

      Gefällt 1 Person

      Verfasst von Joachim Schlichting | 4. Juli 2018, 17:03
      • Ist „allseitig“ ein feststehender Begriff?
        In das Röhrchen kann doch nur ein Durchschnitt gleicher Form an Luft eintreten. Oder ist es so, daß die Atome sozusagen alle gleichberechtigt ins Röhrchen wollen, auch wenn sie geringfügig von der Seite der Kompressionskammer kommen? Ein homogener Eintritt der Luftmassen, ohne Verwirbelung ect, könnte man evtl. auch sagen.

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        Verfasst von kopfundgestalt | 4. Juli 2018, 17:41
      • Ich hoffe, dass ich dich richtig verstanden habe. Die Natur ist bestrebt, Unterschiede auszugleichen. Sobald Luft durch das Röhrchen in die Druckkammer eintritt, verteilt sie sich darin, sodass der Druck überall gleich ist. Daher wird das zweite in der Druckkammer endende Röhrchen von allen Seiten gleich mit Luft versorgt.

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        Verfasst von Joachim Schlichting | 4. Juli 2018, 21:10
      • Ich muß mich ein wenig für meine Fragen auch entschuldigen. Seit etwa 5 – 6 Jahren erst beschäftige ich mich mit Wissenschaft.
        Das hat viele Gründe.
        So manche Fachbegriffe sind mir noch nicht völlig vertraut, so jenes, daß die Tendenz zum Ausgleich umschreibt.

        Zu 90 % ist es mir jetzt klar, aber irgendwo ist so ein kleiner Haken in meinem Kopf.
        Das Röhrchen wird also sozusagen „satt“ versorgt.
        Bitte nicht die Mühe machen, darauf zu antworten. Alles wird sich mit der Zeit regeln.

        Danke, Hans-Joachim!

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        Verfasst von kopfundgestalt | 4. Juli 2018, 21:22

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