Wer je ein Kind beseligt matschend im Sandkasten oder am Meeresstrand beobachtete, der weiß, daß in diesem glückhaft-tätigen Umgang mit dem wäßrigen Erdenbrei etwas Elementares geschieht. Unter dem Einfluß des Wassers und unter Mitwirkung der kindlichen Hände nimmt die Erde Gestalt an.
Aus dem gestaltlos schwappenden Brei wird nach Ablaufen des Wassers ein Hügel geformt. Schöpfung, so sagen es die Mythen vieler Völker, ist Scheidung der Elemente, ist Trennung von Wasser und Land, ist Entstehung von Vielfalt. Unsere eigenen Erinnerungen reichen kaum noch in diese Frühzeit schöpferisch-kindlicher Genialität zurück. Jene unnachahmliche Nähe des kindlichen Bewußtseins bei den Elementen ist uns verlorengegangen.
Unser Gedächtnis ist geprägt von den systematisierten Informationen, die uns seit den ersten Schultagen zuteil wurden. Und so ist unser Wissen von den Elementen schon frühzeitig durch das Filter wissenschaftlicher Analytik gegangen: Wasser ist bei gewöhnlicher Temperatur eine geruch- und geschmacklose, durchsichtige, in dünner Schicht farblose, in dicker Schicht bläulich schimmernde Flüssigkeit, welche bei O‘ C zu Eis erstarrt und bei 100° C unter Bildung von Wasserdampf siedet.
So und in ähnlicher Formulierung wurden unsere ersten Experimente und Beobachtungen zusammengefaßt. Weiter schon führte die Beobachtung: Wasser ist ein Lösungsmittel von sehr allgemeiner Anwendbarkeit, in dem zahlreiche Stoffe mehr oder weniger löslich sind. Die gelösten Stoffe befinden sich dabei in der Lösung in einem dem Gaszustand ähnlichen Zustand. Das war dann schon fast die höhere Chemie des Wassers.
Altner, Günter: Wasser. In: Lebenselemente. Feuer, Wasser, Luft, Erde. Freiburg 1985
Und zum Schluss noch eine Frage: Welche Farbe hat der Sand? Gelb? Ich sehe nur blau. Denn das Wasser, das den Sand reichlich benetzt, reflektiert (aus bestimmten Blickwinkeln betrachtet) die Welt spiegelnd, hier insbesonder den Himmel und die spielenden Kinder, sodass der braun-gelbe Sand die entsprechenden Farben annimmt – ohne Rücksicht auf seine eigene Farbe. Die Kinder sehen davon kaum etwas – wenn sie denn ein Auge dafür hätten. Denn sie blicken senkrecht auf den benetzten Sand. Unter diesem Winkel ist die Reflexion des einfallenden Lichts aber minimal und wächst erst mit zunehmendem Einfallswinkel (Fresnelsche Gleichungen).
Ein herbeieilendes Kind wird sich nicht fragen, wieso der Sand bei den Spielkameraden blau wirkt und beim Erreichen der Kinder braun. Auch Erwachsene fragen sich das nicht, weil „der unterbewusste Rechner“ in uns sagt: Alles ok damit und das nicht zu Bewusstsein kommen lässt. Würde eine unübliche Farbe aufleuchten, würde das dagegen dem Bewusstsein sofort gemeldet.
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Das ist genau richtig, was du da sagst. Das stützt meine These: Die Welt physikalisch zu sehen bedeutet Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen und dadurch auf neue und womöglich faszinierende Eindrücke zu stoßen. Das ist für mich ähnlich wie die Betrachtung eines guten Kunstwerks, das sich mir erst bei fragender, kontemplativer Betrachtung erschließt. Beim Kunstwerk können sich jedoch von Mensch zu Mensch andere Eindrücke und Einsichten ergeben, in der Physik gibt es nur einen und eine. Mein Anliegen ist es, wenn möglich, neben der physikalischen auch eine ästhetische Dimension zu eröffnen. Letzteres gelingt aber nicht immer.
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Letztere gelingt dir in einem Maße, dass es auch für mich physikalisch Unbedarfte ein reines Vergnügen ist, deine Beiträge zu lesen und anzuschauen. Dies Foto ist wieder mal grandios.
Das Spielen mit Wasser und Sand ist, meine ich, auch dem erwachsenen Menschen ein Bedürfnis – oft nehmen sie die Betreuung des Kindes als Vorwand. .
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Danke, liebe Gerda, für den Zuspruch aus berufenem Mund. Ich denke auch, dass viele Menschen unausgesprochen und vielleicht unbewusst – wie Kinder – gerne herummatschen. Ich habe oft am Strand beobachtet, dass Erwachsene mit größerer Hingabe dabei waren als die Kinder. Am Strand können sie „ungestraft“ ihr Kindheits-Ich herauslassen, was im Alltag meist eingesperrt bleibt.
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