In Deinen Gedichten weht mich die stille Säulenordnung an, mir deucht eine weite Ebne; an dem fernen Horizont rundum heben sich leise wie Wellen auf beruhigtem Meer die Berglinien; senken und heben sich wie der Atem durch die Brust fliegt eines Beschauenden; alles ist stille Feier dieses heiligen Ebenmaßes, die Leidenschaften, wie Libationen von der reinen Priesterin den Göttern in die Flammen des Herdes gegossen, und leise lodern sie auf – wie stilles Gebet in Deiner Poesie, so ist Hingebung und Liebesglück ein sanfter Wiesenschmelz tauigter Knospen, die auf weitem Plan sich auftuen dem Sternenlicht und den glänzenden Lüften, und kaum, daß sie sich erheben an des Sprachbaus schlanker Säule, kaum daß die Rose ihren Purpur spiegelt im Marmorglanz heiliger Form, der sie sich anschmiegt; so – verschleiernd der Welt, Bedeutung und geheime Gewalt, die in der Tiefe Dir quellen – durchwandelt ein leiser schleierwehender Geist jene Gefilde, die im Bereich der Poesie Du Dir abgrenzest.
Das ist auch ein Zugang zur Welt, der in einem Atemzug eine Verbindung der eigenen Gefühle mit dem Sternenlicht und der purpurnen Rose sieht. In einem Atemzug, in einem Satz.
Bettina von Arnim (1795 – 1859): Die Günderode. München 1998
o Hölderlin! ist Bettina bei dir in die Schule gegangen? Dein Foto ist himmlisch und wunderbar dem Brentano-Günderode-„Sprachbau“ entsprechend „kaum, daß sie sich erheben an des Sprachbaus schlanker Säule, kaum daß die Rose ihren Purpur spiegelt im Marmorglanz heiliger Form, der sie sich anschmiegt“; Danke!
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In der Tat steht die Sprachauffassung Bettines der Poetologie Hölderlins sehr nahe. In der Günderode z.B. heißt es an anderer Stelle: Gewiß ist mir doch bei diesem Hölderlin, als müsse eine göttliche Gewalt wie mit Fluten ihn überströmt haben, und zwar die Sprache, in übergewaltigem raschen Sturz seine Sinne überflutend und diese darin ertränkend; und als die Strömungen verlaufen sich hatten, da waren die Sinne geschwächt und die Gewalt des Geistes überwältigt und ertötet.
Ich mag diese aus heutiger Sicht sehr künstlich wirkende poetische Sprache und die Naturmetaphorik. Immerhin haben Romantiker einiges beigetragen zur neuzeitlichen Physik. Die Verbindung von Elektrizität und Magnetismus ist ein Beispiel. Hölderlin ist natürlich eine „Sache“ für sich. Ein schönes Wochenende, Gruß Joachim.
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Danke für diese Ergänzung. Im übrigen liebe ich Hölderlins Werk, und das vieler Romantiker. Novalis mit Ofterdingen und dem Abstieg ins Erdinnere war mir wichtiger als alle trockene Geologie.
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Vielen Dank für das Stichwort Novalis. Ich habe ihn in meinem Blog schon einige Male angesprochen (finde die Stellen aber auf die Schnelle nicht wieder). Die im 18. Jh. Beginnende geologische Erschließung von Höhlen war ja sowohl für die Naturwissenschaftler als auch für die Künstler interessant. Beide erwarteten vielleicht durch die Höhlenexpeditionen Antworten auf die (im Rahmen der Aufklärung gestellte) Frage nach der Entstehung der Welt zu finden. Novalis war damit ja nicht allein: Man denke an Hallers Gedicht Die Alpen, Goethes Forschungen etc.
Für mich ist besonders Novalis‘ Bemühungen, die (bedrohte oder bereits verlorene) Einheit mit der Natur mittels der Poetisierung (wieder) zu erlangen. Aber, wie sagte Fontane so schön: Das ist ein weites Feld.
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Danke Suchdienst dies. – War die Einheit des Menschen mit der Natur nicht schon lange verloren und nichts als eine Illusion? Eigentlich bereits mit dem rrstrnTempelbau, der ersten befestigten Stadt, dem ersten Tieropfer? Wie du weißt, beschäftige ich mich grad auf andere Weisr mit dem Thema
Und deine Ansichten dazu interessieren mich. Herzliche Grüße vom Saum des Meeres mit Fisch, Wein, iPhone und WLan
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Suchdienst = auch für dies.
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Hier oben (das Watt zwischen Sahlenburg und Neuwerk) ist es in diesen Wochen ähnlich warm wie bei euch. Zum Glück weht ein leichter Wind, der die Temperaturen erträglich macht.
Was die Einheit des Menschen mit der Natur betrifft, so hast du natürlich recht. Ich verstehe die Romantik auch als eine Reaktion auf den im Rahmen der Aufklärung übermächtig gewordenen Rationalismus.
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Die illusorische Trennung geschieht durch das menschliche Denk- und Unterscheidungsvermögen.Solange der menschliche Körper durch und durch Natur ist, sich wandelt, ensteht und vergeht wie alles-in der Natur- kann die Einheit des Menschen mit der Natur gar nicht verloren gehen.
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Faktisch nicht, aber im Bewusstsein, im Handeln und schließlich auch im Weltbild der Menschen.
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