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Marginalia, Physik im Alltag und Naturphänomene

An der Wurzel des Regenbogens

Springbrunnen_FarbenWo der Regenbogen auf die Erde trifft, soll bekanntlich ein Schatz zu finden sein. Ist er auch, aber anders als man denkt.
Als ich an einem sonnigen Tag am Springbrunnen saß, war mir als ob in den herunterfallenden, von der Sonne durchstrahlten Tropfen – kurz bevor sie auf die Wasseroberfläche des Teichs fielen – Farben aufleuchteten. Es war ein Eindruck, keine Gewissheit. Ich machte einige Fotos und konnte mich dann am Bildschirm davon überzeugen, dass der Eindruck nicht getrogen hatte. Ich sah zahlreiche bunte Lichtpfeile. Es waren die Spuren leuchtender Tropfen, die infolge der endlichen Belichtungszeit der Kamera etwas in die Länge gezogen wurden. Zunächst dachte ich, dass es sich um Fragmente des (normalen) Regenbogens handelte, die ich hier aufblitzen sah. Dann wurde mir aber klar, dass die Sonne bereits zu hoch stand, um noch im passenden Winkelbereich zu sein.
Woher kommen also diese Farben? Schaut man sich die Anordnung der Farben genauer an, so zeigt sich, dass sich nach oben hin eher die Blautöne zeigen, nach unten die Gelb- und Rottöne. Bei einem Regenbogen hätte es umgekehrt sein müssen. Bei diesem Gedanken wurde mir klar, dass dies nur für den normalen Regenbogen, den Regenbogen 1. Ordnung, gilt. Unter größerem Winkel ist noch der Regenbogen 2. Ordnung zu erwarten, der meist vergessen wird, weil er aufgrund einer zusätzlichen Reflexion in den Wassertropfen wesentlich lichtschwächer ausfällt und daher oft nicht zu sehen ist. Und außerdem ist bei diesem Bogen wegen der weiteren Reflexion die Farbreihenfolge umgekehrt: Blau außen, Rot innen. Mit anderen Worten, ich sah tatsächlich Fragmente des Regenbogens, allerdings des Bogens 2. Ordnung.
Zwar sind nicht die leuchtenden Tropfen direkt zu sehen, sondern nur ihre Lichtspuren, die sie während der endlichen Belichtungszeit auf dem Camerachip hinterlassen. Das macht die Sache nicht unbedingt unrealistischer. Denn auch unsere Augen sehen bewegte Vorgänge teilweise verschmiert. So nehmen wir Regentropfen meist als Fäden wahr, was wohl zu der Redensart geführt hat: „Es regnet Bindfäden“. Die in die Länge gezogenen leuchtenden Tropfen haben sogar einen Vorteil. Sie entfalten das punktuelle Farbphänomen zu einer größeren Sichtbarkeit. Ohne dies wär es auf dem Foto wohl kaum zu sehen gewesen.
Teilweise kann man sogar das ganze Farbspektrum sehen, das dem durchlaufenen Winkelbereich des Tropfens entspricht (siehe unten rechts).
Die pfeilartige Zuspitzung der Lichtspuren ist übrigens auf den Kameraverschluss zurückzuführen, der beim Schließen den Lichtstreifen gewissermaßen abschnürt.

Die ebenfalls zu sehenden Blasen befinden sich auf der Teichoberfläche. Sie werden durch größere Tropfen hervorgerufen, die beim Sturz ins Wasser einen Hohlraum hervorrufen, in dem durch das über ihm wieder zusammenlaufende Wasser, eine Luftportion eingeschlossen wird, die dann als Halbblase zur Oberfläche steigt. Normalerweise platzt eine Blase mit einer reinen Wasserhaut sofort wieder. Da das Teichwasser aber teilweise durch tensidartig wirkende Stoffe biologischen Ursprungs entspannt wird, ist ihnen eine gewisse Lebenszeit beschieden. Man kann auf der Halbblase zumindest schemenhaft die komplexe Spiegelung der ganzen Umgebung sehen.

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Diskussionen

10 Gedanken zu “An der Wurzel des Regenbogens

  1. Umfassend, möchte ich sagen!
    Deine Texte sollte man unbedingt mehrmals lesen – zum einen, weil sie substantiell sind und zum zweiten, um zu lernen, um Unklarheiten kleiner zu halten..

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    Verfasst von kopfundgestalt | 5. August 2018, 00:36
    • Ich gebe zu, dass manche Texte nicht immer ganz einfach zu lesen sind. Das liegt meist daran, dass die Phänomene oft ganz schön verborgen sind und Schritt für Schritt ans Tageslicht gefördert werden müssen. Ich freue mich natürlich und lobe dich dafür, dass du versuchtst mir beim Weg durch das Gestrüpp hindurch zu folgen. Goethe hat einmal im Faust II formuliert: „Ich kam daher auf glatten Wegen, Und nun steht mir Geröll entgegen“. So erscheint es mir manchmal.

      Gefällt 1 Person

      Verfasst von Joachim Schlichting | 5. August 2018, 09:55
  2. Danke mal wieder. Mit Regenbogen 2. Ordnung meinst du den manchmal sichtbaren doppelten Bogen, dessen Farben ja tatsächlich umgekehrt laufen? Wann entsteht der eigentlich? ich hatte den Eindruck, er entsteht, wenn die Bewölkung sehr dicht ist. Aber nun meine ich zu verstehen, dass es mit dem Einfallwinkel der Sonnenstrahlen zu tun hat?

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    Verfasst von gkazakou | 5. August 2018, 09:35
    • Genau, diesen doppelten Bogen meine ich. Beim (lichtstarken) Bogen 1. Ordnung wird das in die Tropfen eintretende Licht einmal gebrochen, einmal im Tropfen reflektiert und bei Wiederaustritt erneut gebrochen. Dadurch entstehen (wie bei einem Prisma) die Farben und das Licht wird auf einen kleinen Bereich fokussiert. Da bei jeder Brechung ein Teil des Lichts reflektiert wird, läuft dieses Licht ein Stück weiter im Tropfen um und wird dann aus dem Tropfen heraus gebrochen. Das ist dann der Regenbogen 2. Ordnung, der allerdings weniger hell ist und daher nicht immer sichtbar ist.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 5. August 2018, 11:59
  3. Ein wunderschönes und gleichzeitig physikalisch hochinteressantes Foto! Herzlichen Glückwunsch für diese fotografische Meisterleistung!

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    Verfasst von Jochim Lichtenberger | 7. August 2018, 13:23

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