In den schon zahlreich von den Bäumen abgeworfenen bzw. ihnen verlustig (nicht lustig!) gegangenen Blättern glaubte ich das Passfoto einer Person zu sehen. Aber es war nur ein Blatt, das bereits jetzt im Hochsommer fallen musste, bevor alles Grüne vom Baum entnommen worden war. Als ich das Blatt aufhob, war der Effekt dann doch nicht so stark wie auf dem Boden in der Gesamtheit der anderen Blätter. Als ich es daraufhin zurücklegte und bereits wusste, dass hier ein Blatt mit Umrissen eines Menschen zu sehen war, konnte die ursprüngliche starke Wirkung nicht wieder zurückgeholt werden.
Pareidolien werden zuweilen auch in der Literatur angesprochen. Ein Beispiel findet man in Heinrich Heines (1797 – 1856) Buch der Lieder:
Da steht auch ein Mensch und starrt in die Höhe,
Und ringt die Hände, vor Schmerzensgewalt;
Mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe –
Der Mond zeigt mir meine eigene Gestalt
Du Doppeltgänger!
Was äffst du nach mein Liebesleid,
Das mich gequält auf dieſer Stelle,
So manche Nacht, in alter Zeit?
Muss es immer Liebesleid sein, das quält?!
„Die ursprüngliche starke Wirkung“ war der spontane Reflex auf ein neuronal eingelagertes Erscheinungsbild.
30 Jahre oder mehr nach meiner Zeit bei der Bundeswehr sah ich in einer Menschenmenge, 30 m entfernt, jemand kurzfristig den Platz verlassen, für eine Sekunde, Die Art seiner Bewegung, obwohl sie eigentlich keine Besondere war, lies mich stark vermuten, daß es ein Bekannter aus dieser Bundeswehrzeit war.
Ich sprach ihn später an., er war es. Er konnte sich an mich überhaupt nicht erinnern.
Neuronal war sein Abbild für ewig ABGELEGT, in ziemlich vielen Einzelheiten offenbar.
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Für die Dichter ist es in der Tat meistens Liebesleid, das sie quält.
Dein Erlebnis kann ich aus eigener Erfahrung in ähnlicher Weise bestätigen. Was mich besonders daran wunderte, dass ich zu dem Menschen aus früherer Zeit überhaupt keine bewusste Beziehung gehabt hatte. Interessant auch, dass es die Gestik war, die „überlebt“ hatte; das Antlitz stimmte mit dem abgespeicherten Bild kaum mehr überein.
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Man könnte sagen, daß die Bewegung „des Individums“ abzuspeichern, aus evolutionären Gründen wichtiger war, als sein Antlitz.
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Ja das könnte sein. Aber hier erneut die Frage, die wir früher schon mal angesprochen haben: Geschieht wirklich alles absichtsvoll im Sinne de Darwinismus oder gibt es auch absichtslose Varianten?
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Das verstehe ich jetzt nicht ganz. Was meinst Du? Entwicklungen ohne direkten Bezug zu einem irgendwie gearteten Zweck?
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Ich frage mich, ob alle Veränderungen in der belebten Natur wirklich einem Zweck dienen müssen oder ob sie nicht einfach Varianten sind die sich als Nebeneffekt ergeben.
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Das ist sicher so.
Die Evolution verneint ja einen Zweck. Es gibt einen Selektionsdruck, in dem einige Veränderungen, die im Grunde zufällig sind, sich als fit erweisen.
Mein Gefühl ist aber auch, daß es eine irgendwie gerichtete Evolution geben muß – Veränderung kann nur in bestimmter Weise passieren. Es sind Kanäle offen, in denen etwas passieren kann. Z.b. muß ein neuer Stoffwechsel am besten so sein, daß er die alten Leistungen erfüllt. Gewürfelt wird da nicht.
Aber vielleicht rede ich da an Deiner Festsstellung vorbei?!
Ein Nebeneffekt der Mustererkennung im Gehirn ist ja die Bereitstellung des entspr. Terrains zur Entwicklung der Laut-und Schriftsprache .
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Ich finde, auch als Blatt geht eine starke Wirkung von dem Foto aus. Es zeigt den ganzen heißen Sommer!
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Das stimmt! In dem Blatt ist vieles, das man wortreich (nacheinander) beschreiben könnte, auf einen Blick abgelegt. Es ist ein komplexer Eindruck, den man nur mit Mühe verbalisieren könnte – ähnlich wie es bei guten Gemälden der Fall ist.
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Ja, Joachim, das ist das erste, was wir als Kunstgeschichtsstudenten gelernt haben, Bildbeschreibungen, Bildbeschreibungen, Bildbeschreibungen ……
Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich ein Bild beschrieben werden kann…..
Liebe Grüße von Susanne
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Liebe Susanne, ich bedaure, dass ich nie gelernt habe, wie man professionelle Bildbeschreibungen unter künstlerischer Perspektive zustande bringt. Daran liegt es vielleicht, dass die Beschreibungen so unterschiedlich ausfallen. Bei der Beschreibung von Alltagsphänomenen mit einem physikalischen Hintergrund fühle ich mich da wesentlich sicherer – auch weil es dafür so gut wie keine „Tradition“ und daher keine Regeln gibt. Liebe Grüße, Joachim.
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Lieber Joachim, ja bei der Bildbeschreibung gibt es schon zwei bis drei Regeln, die Gattung, Perspektive, Horizont, Licht , Komposition, Farbe müssen zumindestens erhalten sein. Gut ist es, wenn man viele Beschreibungen liest, das schult.
Es ist klar, dass du dich in der Physik sicherer fühlst, du hast Physik studiert und dich dein Leben lang damit beschäftigt, während ich mich ein Leben lang mit der Kunst und der Kunstgeschichte auseinandersetze und Kunstgeschichte studiert habe. Die Philosophie, die haben wir gemeinsam; ich denke, deshalb mag ich deine Texte auch und weil du ab und an die Physik mit der Kunst verknüpfst.
Liebe Grüße aus Berlin von Susanne
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Liebe Susanne, das werde ich zukünftig beherzigen – wenn es denn das Phänomen erlaubt. Danke für deine lieben Worte. Das Thema Kunst und Physik interessiert mich seit etwa 20 Jahren. Ich veranstalte dazu – in den letzten Jahren fast regelmäßig – Lehrerfortbildungen und habe einiges dazu publiziert. Die Beziehungen sind erstaunlicherweise ziemlich weitgehend, was damit zu erklären ist, dass beides die (westliche) Kunst und Physik derselben Kultur angehört.
Ich wünsche dir bei deiner Masterarbeit einen guten „Wirkungsgrad“ und viel Erfolg. LG, Joachim.
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Lieber Joachim, ich mag diese Kombination auch sehr. Ich habe in meinen ersten 20 Berufsjahren als Systemanalytikerin und Entwicklern unter anderem bei einen Zusammenschluss von ARD Anstalten gearbeitet und „nebenbei“ gezeichnet. Erst seit 2002 arbeite ich hauptberuflich als Künstlerin. Und ich habe immer gesagt, dass der Prozess über 0 und 1 in der Entwicklung oder hell und dunkel in der Zeichnung zu entscheiden sehr kreativ und ähnlich ist.
Als Beispiel muss dann immer der gute Leonardo herhalten 😉
LG Susanne
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Liebe Susanne, da hast du ja schon einiges an Erfahrungen in ganz verschiedenen Bereichen hinter dir. Das ist oft von großem Nutzen für kreative Tätigkeiten.
Manche Kunsthistoriker (z.B. Marin Kemp)gehen davon aus, dass Leonardo ähnlich gearbeitet habe wie heute mit Hilfe von Computersimulationen natürlich wirkende Landschaften generiert werden. Für Leonardo spielte nämlich die physikalische Erfassung auch der kleinsten Effekte, die zum Eindruck des Bildes führen, eine wichtige Rolle bei der künstlerischen Gestaltung. Insofern ist er in der Tat in vielen Dingen sehr modern gewesen. LG Joachim.
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Den Kemp lese ich auch gerne, Joachim, leider sind seine Bücher vergriffen und der antiquarische Wert ist so hoch, dass ich darauf verzichte, es in mein Bücherregal zu stellen. Aber in der Uni-Bibliothek kann ich seine Werke lesen. Er war sogar neulich in einer Vorlesung an der FU, leider war ich verhindert, konnte meinen Termin nicht absagen und habe es so verpasst.
LG Susanne
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Von Kemp habe ich insbesondere aus „The Science of Art“ für meine Fortbildungen sehr profitieren können. Wenn ich auf
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(zu schnell auf Antwort) gedrückt. Ich wollte noch hinzufügen: Wenn ich auf Reisen bin, schaue ich vorher regelmüßig in den Kemp ob er zu den Bau- und Kunstwerken in der jeweiligen Stadt etwas Wichtiges zu sagen hat. LG, Joachim
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Ich bereite mich auch immer auf Reisen vor. Wobei es bei mir immer umgekehrt ist, ich suche mir die Reisen nach der Kunst aus, die ich sehen will 😉
Einen schönen Tagesbeginn von Susanne
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Ich meinte vor allem Reisen, die beruflich bedingt sind und mich zufällig in einen Ort bringen. Wie im Moment gerade, wo ich auf einer MINT – Tagung in der Nähe von Mainz bin. Ansonsten spielen (Kunst)-Museen u.ä. bei der Auswahl auch eine Rolle. LG, Joachim.
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Ich wünsche dir viele Inspirationen in Mainz! LG, Susanne
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Werde ich sicherlich haben. Den ich trage über „Kunst und Physik“ vor (https://www.schulewirtschaft-rp.de/lehrerfortbildung/minttag-rlp-2018/) LG, Joachim.
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Das Tagesprogramm liest sich gut, Joachim, ich hoffe, du hattest eine inspirierende Zeit!
Liebe Grüße aus dem heute so regnerischen Berlin von Susanen
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Pareidolien sind eigentlich alle Bilder, nicht wahr? Denn was wir zB für einen Menschen halten, ist nur das Zusammenspiel von Strichen und Farben auf einer Leinwand bzw die Abbildung auf unserer Netzhaut, die wir als Gestalt lesen.
Mich fasziniert das Blatt besonders durch die zurückgehaltene Menge an Chlorophyll, die wie ein Lebens-Stempel auf dem verwelkten Blatt wirkt. Du schriebst einmal über dies Thema – darüber dass die Blätter rot werden, weil das Chlorophyll zurückgespeichert wird, um es im Folgejahr zur Verfügung zu haben. Hier im Süden werden die wenigsten Blätter rot, die meisten vertrocknen einfach, wie jetzt die Feigenblätter, die wie jedes Jahr um diese Zeit braun und verkrümmt unter dem Baum liegen. .
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Du hast natürlich insofern Recht, als jedes Bild eine wenn auch oft verdammt gute Täuschung ist. Charakteristisch für Pareidolien ist wohl die Absichtslosigkeit, mit der diese Bilder entstehen.
Was die Einlagerung des Chlorophylls betrifft, so verhalten sich Bäume in der Tat ganz unterschiedlich. Manche tun es gründlich, manche halbherzig, manche gar nicht und manche versuchen es vorzeitig und kommen damit nicht zurecht – wie nach diesem heißen Sommer häufig zu beobachten ist. Welche Auswirkungen dieser Sommer auf die (mehrjährigen) Pflanzen haben wird, werden wir im Frühjahr sehen. Ich bin schon gespannt.
Im Süden ist die Einlagerung von Chlorophyll wegen der Omnipräsenz der Sonne und der milden Winter vermutlich gar nicht notwendig.
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Ach so, eingelagertes Chlorophyll hilft in sonnenarmen Gegenden der Pflanze im Frühjahr.
Mit dem „absichtslos“ hast du recht.
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