Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 49/5 (2018) S. 256
Gegenstände in wassergefüllten Aquarien können aufgrund zahlreicher Reflexionen an den durchsichtigen Wänden zu einem optischen Rätsel werden.
Beim Anblick der Fotos ergibt sich die Frage wie von selbst: Wie viele reale Kugeln sind hier im Spiel? Wer die Frage zunächst selbst beantworten möchte, halte vor dem Weiterlesen kurz inne.
Die korrekte Antwort lautet: es ist genau eine Kugel. Alle anderen vermeintlichen Kugeln sind virtuell. Sie verdanken ihre „Existenz“ Reflexionen und Brechungen zwischen Wasser und Luft.
Man blickt gleichzeitig durch drei Grenzflächen zwischen Luft und Wasser auf die Kugel (die Wirkung der dünnen Plexiglasschicht spielt keine Rolle). Aufgrund der Brechung des von der Kugel und den Wänden (vor denen die Kugel liegt) ausgehenden Lichts, erscheinen diese optisch gehoben (siehe Skizze). Das gilt sowohl für den schrägen Blick durch die Oberfläche, bei dem deutlich zu erkennen ist, dass der Boden und damit die darauf lagernde Kugel, angehoben erscheint, wie für den schrägen Blick durch die beiden seitlichen Grenzflächen. Die Wände und mit ihnen die Kugel scheinen entsprechend auf den Betrachter hin vorgerückt zu sein.
Von den drei brechungsbedingten Verschiebungen der Wände ist allerding nicht nur die in der Ecke ruhende Kugel betroffen, sondern auch die Spiegelungen der Kugel in den in der Ecke zusammenlaufenden Wänden. Die Spiegelungen sind deshalb so perfekt, weil es unter den Betrachtungswinkeln zu einer Totalreflexion des von der Kugel ausgehenden Lichts an den Wänden kommt. Denn beim Übergang des Lichts vom optisch dichteren zum optisch dünneren Medium kann das Licht ab einem bestimmten Winkel (Winkel der Totalreflexion) die Grenzschicht nicht mehr durchdringen und wird reflektiert. Davon kann man sich leicht überzeugen, indem man die Hand von außen hinter die jeweilige Wand hält. Sie ist nicht zu sehen.
Bei genauerer Betrachtung kann man feststellen, dass diese Aussage für den hier eingenommenen Betrachtungswinkel nur für zwei der in der Ecke der Kugel zusammenlaufenden Wände gilt. Das rechte virtuelle Kugelquartett wird nicht in der linken hinteren Grenzschicht und das linke nicht in der rechten hinteren Grenzschicht total reflektiert. Hier muss man mit der nur sehr schwach ausgeprägten und nur an einigen Stellen mit günstigem Lichteinfall zu erkennenden normalen spiegelnden Reflexion vorlieb nehmen.
Es sei denn man hilft etwas nach und platziert an diesen Stellen der beiden hinteren und der unteren Grenzschicht jeweils einen Planspiegel. Dann werden die Kugelquartette auch dort gespiegelt und die virtuellen Kugelquartette jeweils verdoppelt. Insgesamt würde man dann statt 12 insgesamt 24 Kugeln sehen: 11 bzw. 23 virtuelle und eine reale.
Das PDF scheint nicht zu funktionieren?!
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Bei mir funktioniert es. Aber abgesehen davon brauchst du es auch nicht, weil es mit dem abgedruckten Text übereinstimmt.
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Ist unterwegs.
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Ich danke Dir, Joachim!
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na sur wat! Mine Fru di hat’n Pompadour! rief ich aus, als ich las, dass eine einzige Kugel echt und der Rest virtuell ist! Mein Tipp ging auf vier. Typischer Fall von Kurzschluss. Denn mit ein wenig Geduld hätte ich das richtige Ergebnis ja durchaus finden können. Man sieht den Unterschied zwischen echt und virtuell recht gut, wenn man das Foto vergrößert.
ich hätte noch Fragen an dich, bezüglich Schwerkraft, unter deinem Kommentar zu meinem „slow motion“ Wasserfall. Magst du mal schauen? https://gerdakazakou.com/2018/09/03/montag-ist-fototermin-abendmeer-und-wasserfall/
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Kannst du ook noch Platt snacken? Den Spruch mit dem „Pompadour“ kenne ich nicht, kann mir aber zusammenreimen, was er bedeutet. Ja, als ich das vor Jahren mit den Kugeln entdeckte und dann in der Tate Gallery ein Exponat von Jeff Koons dazu entdeckte, habe ich mal ein bisschen damit gespielt…
Deine Frage zur Schwerkraft hatte ich leider übersehen. Du findest sie jetzt a.a.O.
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danke, ich schau mal gleich. Das Experiment mit der Kugel hat mich gleich auch auf filosofische Gedanken gebracht: Reflexion der einen Wirklichkeit in Milliarden Sinnesorganen und Hirnen….Womöglich auch eine Wahrheit und sooo viele Scheinwahrheiten?
ja, ich weiß, jetzt fällt dir Lessing ein. Mir jedenfalls fiel das Gleichnis mit den Ringen ein und dass es am Ende vielleicht gar nicht auf den Besitz der wahren Wahrheit ankommt, sondern darum, sich der Liebe des Einen gewärtig zu sein..
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Schön, wie es dir gelingt, die metaphorische Seite des Phänomens auszuschöpfen. Mir kommen dadurch ganz neue Gedanken. An die Ringparabel hätte ich nicht gedacht, aber es passt. Wir denken vermutlich viel zu „materiell“, die optische Realität der Kugeln ist doch auch nicht ganz ohne zumal sie ohne sie anzugrapschen gar nicht von dieser zu unterscheiden ist, und so ist das in vielen anderen Zusammenhängen auch.
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