Tollt der Wind über Feld und Wiese,
Hat seinen Spaß er überall,
Aber am liebsten neckt er die Liese
Mit einem tückischen Überfall.
Will sie ihr Zeug auf die Leine bringen,
Zerrt er: Liese, dies Hemd ist mein!
Um jedes Laken muss Liese ringen,
Jedes Stück will erobert sein.
Giebt es der Sausewind endlich verloren,
Schlägt er noch im Übermut
Ihr das nasse Zeug um die Ohren:
Da, liebe Liese, häng’s auf und sei gut.
Gustav Falke (1853 – 1916)
Das Thema hatten wir vor kurzem schon mal, allerdings ging es da hauptsächlich um ein optisches Phänomen. Aber es klang bereits an, dass es heute selten geworden ist, die Wäsche auf der Leine zu trocknen. Wäschetrockner im Hause haben das Geschäft weitgehend übernommen.
Und dennoch, die solare Trocknung der Wäsche ist nicht nur ökologisch geboten, sondern kann auch ein Erlebnis sein. Die Auseinandersetzung mit dem Wind beim Aufhängen der Wäsche kann zu einer sportlichen Herausforderung werden. Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter ähnlich wie es in dem Gedicht von Gustav Falke anklingt, mit den Naturgewalten kämpfte, wenn sie bei stürmischem Wetter insbesondere die großen Wäschestücke mit mehreren Klammern an der Leine fixieren musste, damit sie nicht wegflogen.
Bettwäsche kann wie eine Fahne im Wind flattern und knattern. Dabei werden große Kräfte auf die Leine und die Befestigung des Textils an der Leine ausgeübt. Je größer die Angriffsfläche des Windes, desto großer die Kraft. Ein Bettbezug kann sogar wie ein Ballon aufgeblasen werden, wenn der Wind in die Öffnung fährt. Im Winter bleibt diese gedunsene Form manchmal für einige Zeit bestehen, wie ich als Kind öfter erlebte. Bei tiefen Temperaturen gefriert das Wasser in den Fasern und versteift diese, sodass das aufgeblähte und nunmehr feste Gebilde auch dann noch erhalten bleibt, wenn sich der Wind gelegt hat.
Allerdings hält sich die Hohlform auch bei Minustemperaturen nicht lange, denn die Eiskristalle sublimieren. Sie gehen direkt ohne den Umweg über den füssigen in den dampfförmigen Zustand über und lassen die Wäsche auch ohne direkte Sonneneinwirkung trocken werden. Voraussetzung ist auch hier eine möglichst geringe relative Luftfeuchte und bewegte Luft.
Schön wieder dein Foto.
Als Kind fand ich das Wäschewaschen schrecklich. Man musste das Wäschestück wringen, bis man Blasen an den Händen hatte. Im Winter fror die Wäsche auf der Leine und brach, wenn man nicht aufpasste. Im Sommer hatten wir Sommergäste und ständig große Wäsche, die im Kessel im Waschhaus gekocht wurde, ich schwor mir damals: nie ohne Waschmaschine! Heute hänge ich die Wäsche draußen auf, denn sie riecht gut, wenn sie in der Sonne trocknet. Ich lebe jetzt halt im Süden, da ist es üblich, die Wäsche draußen aufzuhängen.
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Liebe Gerda, ich will auf keinen Fall die schwere Arbeit die unsere Mütter mit der Wäsche hatten wegromantisieren. Die kindliche Perspektive, insbesondere die eines kleinen Jungen, ist eine ganz andere. Daher sind mir vor allem die PHÄNOMENE im Gedächtnis geblieben. Und heute sind die zumindest in nördlichen Gefilden selten gewordenen vollgehängten Wäscheleinen für mich nicht nur ein willkommenes Fotomotiv, sondern auch ein Erinnerungsstück an unbeschwerte Kindheitstage.
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Ja, ein Wunder ist das. Ich meine die Trocknung, wie sie zustande kommt.
Ich vermisse die Trockung von Wäsche an der Luft. Zum einen riecht sie besser als diejenige, die maschinell getrocknet wird.
In der heutigen Zeit, in der man nicht mehr den Raum hat, die Wäsche eine gute Zeit unter Beobachtung zu halten, ist natürliche Trockung im Wind schwierig geworden.
In der kälteren Jahreszeit trocknete Wäsche manchmal garnicht (du beschriebst die Faktoren gerade) und da kam es schon vor, daß ich Angst bekam, der Nachbar würde mich als Narr ansehen. Dann habe ich die Wäsche wieder abgenommen und im Hause irgendwo abgelegt zur Resttrocknung.
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Du sprichst einen wichtigen Punkt an. Selbst wer es könnte scheut sich oft, Wäsche aufzuhängen. Was könnten die anderen dazu sagen oder denken. Als wir vor vielen Jahren in einer Reihenhaussiedlung wohnten wurden und sogar bedeutet, dass wenn schon Wäsche aufgehängt werde, dann bitte nicht am Wochenende. Daran „kristallisiert“ sich eine Menge Vorgestriges, Überkommenes, Miefiges und Kleinbürgerliches… Dennoch: Nichts geht über die ersten Nächte in frisch an der Luft getrockneter Bettwäsche.
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Das Vorgestrige hockt in den Betten wie die Kleintiere dort.
Vorgestrige Überzeugungen, darüber könnte man doch fast ein Buch schreiben.
Wobei ich sicher auch nicht frei davon bin.
Aufklärung wälzt sich gaaaanz langsam durch die Geschichte.
Allein schon: Die Atomtheorie, durch einen Griechen weit vor Christus so schon formuliert, schlummert mind. 1700 Jahre etwa vor sich hin und wird erst dann wieder entdeckt. Einige Jahrhunderte später dann erst bewiesen, so kurz nach 1900.
Solche Sachen zeigen auf, wie lange bestimmte Prozesse benötigen.
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Du sagst es!
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Interessant der Fokus: der Junge erinnert sich an die schönen Phänomene, das Mädchen an die Mühsal der Arbeit… wie sich so frühe Erfahrungen immer mal wieder in den Vordergrund schieben. liebe Grüße!
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Genau das wollte ich noch einmal betonen insbesondere auch deshalb, weil es meiner Beobachtung nach in äußerlich geänderten Kontexten auch heute noch vorkommt. Dir auch liebe Grüße!
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