Neben den akustischen Klängen, die durch den Schalltrichter einer Trompete in die Welt entlassen werden und in unser Ohr gelangen, hat derselbe Trichter auch einige optische Ansichten parat, die für den einen oder die andere ein visuelles Erlebnis darstellen. Mich haben die meist spiegelblanken glänzenden Metallkörper schon immer fasziniert, hatte aber bislang keine Gelegenheit wahrgenommen, ihnen etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Als ich vor kurzem vor dem Schaufenster eines Musikinstrumentengeschäfts stand, in dem mehrere Trompeten so aufgestellt waren, dass die Schalltrichter nach oben gerichtet waren, konnte ich die Spiegelungen an den gekrümmten Außenflächen der Instrumente bewundern. Leider waren die Öffnungen zu hoch, sodass ich mangels Körpergröße nicht von oben in die Trichter hineingucken konnte. Auch auf Zehenspitzen war da nichts zu machen. Es blieb mir nur die Kamera hochzuhalten und ohne Kontrolle darüber, was diese denn nun zu sehen bekam, ein paar Bilder zu schießen. Das Ergebnis (siehe Foto) kann sich sehen lassen. Denn was man sieht, sieht nicht aus wie ein glatter geschwungener Trichter, sondern wie ein komplexes Ensemble vielfältig ineinander verschachtelter virtueller Schalltrichter, die jedoch in Wirklichkeit nichts anderes darstellen, als spiegelnde Reflexionen von Reflexionen von Reflexionen …
An oberster Stelle sieht man zunächst die Spiegelung meine hochgereckten Hände, die die spionierende Kamera halten vor dem Hintergrund einer Häuserwand und einem daneben stehenden Baum. Eingebettet ist die Spiegelung in die Spiegelung des Lichts, das von den Gegenständen im Innenraum des Geschäfts so in den Trompetentrichter fällt, dass es gemäß dem Reflexionsgesetz durchs Objektiv hindurch auf den Chip der Kamera gelangt. Da der gespiegelte Ausschnitt nicht nur direkt in die Kamera fällt, sondern auch noch in Form von Spiegelungen an der linken und rechten Seite des Trichters, werden diese Spiegelbilder ebenfalls erfasst.
Das ist noch nicht alles, denn diese Spiegelbilder werden ihrerseits der Krümmung des Trichters entsprechend gespiegelt, und überlagern die „früheren“ Spiegelungen. Aber auch dieses Spiegelungen der Spiegelungen und so weiter ad infinitum tragen zum Gesamteindruck eines aus Spiegelbildern bestehenden fraktalen Musters bei. Die „späteren“ Spiegelungen werden immer kleiner und dunkler weil die Intensität bei jeder Reflexion, die auch noch von Absorptionen begleitet ist, abnimmt und schließlich unter die Schwelle der Sichtbarkeit rutscht.
Wer sich das Zustandekommen eines solchen komplexen Spiegelfraktals schrittweise vor Augen führen möchte, um eine noch konkretere Vorstellung dieser Vorspiegelungen virtueller Räume zu erlangen, kann mit einem Winkelspiegel beginnen, der in einem Kaleidoskop ausgenutzt wird, unendliche Räume von Spiegelungen zu erzeugen.
morgen wieder lesen!! Tolles Foto, wieder angucken !
Wo wir wieder bei den Spiegelbildern wären, die sich selbst spiegeln – aber nun gebogen… Sehr schön, mir macht es Spaß bei sowas genau hinzugucken und zu suchen wo genau sich was spiegelt. Sowas zu malen wäre eine ziemliche Herausforderung…
Malen wäre in der Tat schwierig, weil die Spiegelbilder ad infinitum immer kleiner werden. M.C. Escher ist es mit einigen Bildern gelungen (z.B. Salamanders) eine Ahnung von dieser Reise ins unendlich Kleine zu vermitteln.
Wunderbarer Artikel. Selten hat man mehrere Spiegelungen in einem Objekt zusammengeführt.
Welche Schrittweite haben denn die „späteren“ Spiegelungen?
Wenn du mit Schrittweite den Abstand zwischen den einzelnen Spiegelungen meinst, wird dieser immer kleiner und läuft auf einen Grenzwert zu. Noch schöner ist ein solches fraktales Muster bei spiegelnden Weihnachtskugeln zu beobachten (https://hjschlichting.wordpress.com/2012/12/15/weihnachtliche-reflexionen/), bei denen man den Lichtstrahlverlauf auch noch mit einem Laserpointer verfolgen kann.
Mir bleibt nur das Staunen und deinen Ausführungen mit den Augen zu folgen..Fürs Verstehen fehlen mir leider die Voraussetzungen. Ich werde mir wohl den längeren Artikel vornehmen müssen. Dafür ist es heute schon wieder zu spät.
Spiegelnde Reflexionen sind im Prinzip sehr einfach: Einfallswinkel = Reflexionswinkel. Aber auf einer in einer Richtung konkaven und in der anderen Richtung konvexen spiegelnden Oberfläche wird das Problem schon sehr komplex und anschaulich schon kaum mehr nachvollziehbar. Deshalb gräme dich nicht, wenn meine Ausführungen nicht verständlich sind. Da ich selbst aber professionell deformiert bin, mag das, was für mich verständlich erscheint, für jemanden, der sich damit noch nicht befasst hat, unverständlich sein.
Danke für deine tröstlichen Worte! Unverständlich fand ich deine Ausführungen nicht, ganz im Gegenteil! Aber um etwas so zu verstehen, dass es zur eigenen Anschauung wird, braucht es eben Vertiefung. Aber auch ohnedies ist es ein ästhetischer Hochgenuss, was du da der Trompete an Bildern entlockt hast.
Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie du dich, liebe Gerda, mit meinen Texten auseinandersetzt, die ja teilweise wirklich ins Eingemachte gehen. Das muss einmal gesagt werden. Ich versuche meinerseits die Phänomene so auszuwählen, dass sie auch einen ästhetischen Reiz haben und auf diese Weise auch ohne Text „verständlich“ sind.