In der nächsten Zeit werdet ihr hier in unregelmäßigen Abständen kleine Episoden aus der Wüste vorfinden, in die ich mich kürzlich für einige Zeit verbannt hatte, um für den angehenden Winter mit der Aufnahme von Sonnenenergie etwas vorzusorgen.
Zunächst möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Wüste nicht tot ist, sondern in dem Sinne lebt, als sie außer bei völliger Windstille in ständiger Bewegung begriffen ist. Wenn man morgens die Dünen betritt sind sie gewissermaßen frisch gefegt; die meisten Spuren des Vortags sind durch den vor allem nachts aufkommenden Wind beseitigt. Manchmal stürmt es auch am Tage. Dann kann man die windgetriebenen Sandschwaden live erleben.
Ursache für die großen und kleinen Strukturen in einer Wüste, Dünen und Sandrippel, sowie jede Menge Zwischenformen, sind turbulente Winde. Obwohl das durch sie ausgelöste Sandgestöber äußerst chaotisch erscheint, entstehen äolische Formen, die einerseits in ihrer Grundstruktur einfach aufgebaut sind und andererseits in einem etwas größeren Kontext komplexe, oft ästhetisch ansprechende Muster hervorbringen.
Der Grundmechanismus der Strukturbildung besteht vor allem in der Saltation, also darin, dass der Wind Sandkörnchen in Bewegung setzt, die dann mehr oder weniger weit fliegen, landen, neue Körnchen auslösen, die wieder ein Stück weit fliegen, sich in eine neue Ruhelage begeben (Relaxation) usw. Modifiziert wird dieser Vorgang durch aerodynamische Prozesse, die infolge der Wechselwirkung des Winds mit der jeweiligen Form der bereits bestehenden Dünen und Rippel moduliert werden.
Im einfachsten Falle wird der Sand in Gestalt von Rippeln über die luvseitige (windzugewandte) flache Seite (unteres Foto rechts) der Düne getrieben, die aufgrund des ständigen Bombardements ziemlich trittfest ist. Schließlich schießt der Sand über den Kamm der Düne hinweg und landet auf und jenseits der steilen Leeseite (unteres Foto links), wo es zu einer relativ lockeren Packung des Sands kommt. Da sich diese Seite ständig im kritischen Schüttwinkel befindet, werden in mehr oder weniger großen Intervallen mehr oder weniger große Sandlawinen ausgelöst, deren Spuren typische Strukturmerkmale der Leeseite darstellen.
Wer von der Leeseite aus eine Düne besteigen will, muss sich darauf einstellen, dass er dabei immer wieder selbst Teil einer großen Lawine wird, wodurch sein Vorankommen teilweise massiv konterkariert wird.
Während der Sand vor allem durch Saltation die Luvseite erklimmt, prägt er der Düne an dieser Seite ein charakteristisches System von Sandrunzeln auf, die ein über große Flächen einheitliches Muster ergeben. Wer die vollständige Durchsandung der Kleidung und des eigenen Körpers nicht scheut, sollte sich dieses Geschehen bei relativ kräftigem Wind von Nahem ansehen, er wird im wahrsten Sinne des Wortes hautnah erleben, wie die áuf einem Rippel aufprallenden Sandkörner weitere Körner auslösen, die dann auf dem davorliegenden Rippel landen. Dabei werden die Rippel an der Vorderseite ab- und auf der Hinterseite aufgebaut. Das ist die ungewöhnliche aber doch sehr effektive Art der Fortbewegung von Rippeln über die Dünen. Wenn die Rippel dann einer nach dem anderen den Dünenkamm überschreiten, passiert mit den Dünen im Großen, was mit den Rippeln im Kleinen passiert: Sie schreiten voran.
Einschränkend sei gesagt, dass dieser Idealfall nur selten zu beobachten ist. Da die Windrichtung sich oft zumindest ein wenig ändert, passt die vorgefundene Dünenform nicht mehr zu einer koordinierten Wanderung von Rippeln und Dünen und es kommt zu wesentlich komplexeren Transportvorgängen, die aber auch unerwartet interessante und so nicht vorausgesehene Formen hervorbringen.
Dünen-Verhalten finde ich sehr spannend und freue mich, darüber etwas lesen zu können, das ihre Bewegung beschreibt.
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In Dünen erlebter bewegter Sand ist wirklich mehr als das, was die Beschreibung in einem auszulösen vermag. Meine Beschreibungen sind daher allenfalls der Versuch einer Annäherung.
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Könnte man einen längeren Stock aus wiederfindungsgründen einrammen und am nächsten Tag schauen, wie sich das Ganze verändert hat?
Abpropos „um für den angehenden Winter mit der Aufnahme von Sonnenenergie etwas vorzusorgen.“ Bist Du so veranlagt, daß dir „lediglich“ die stete Erinnerung, die Bilder an die Sonne gut tut oder bufferst Du da tatsächlich so etwas Energie? Letzteres wäre „esoterisch“, was Dir eigentlich fremd sein könnte, aber andererseits vermählst Du Dich in deinem Leben durchaus ja mit vielerlei Inhalten, wie mir scheint.
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Ich habe einige Experimente in der Form durchgeführt, dass ich Steine in den Sand gelegt und am nächsten Tag geschaut habe, was Wind und Sand über Nacht daraus gemacht haben. Ich werde gelegentlich darüber berichten.
Das mit der Energie war natürlich im übertragenen Sinne nicht im tatsächlichen Sinne gemeint. Deine Beobachtung ist völlig korrekt, dass ich in meinen Beiträgen auch versuche, die Welt der Physik und die der Poesie/Kunst miteinander zu verbinden. Es sind unterschiedliche Sehweisen, die allerdings manchmal befruchtend aufeinander wirken können: Der Fortschritt der Physik ist auf kreative Einfälle angewiesen und Poesie und Kunst können durch gänzlich andere Zugänge zur Welt angeregt werden.
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Ich war selber arbeitstechnisch ein knappes Jahr in der Sahara, mitten drin. Allerdings gab es dort fast nur Steine und hin und wieder einen gewaltigen Sandsturm. In dieser Steinwüste waren die stetigen Veränderungen durch den Wind auch merkbar, aber nicht besonders auffällig. Drum bin ich schon sehr gespannt auf deine Episoden aus der Sandwüste.
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