Ich habe bereits früher darauf hingewiesen, dass einer meiner Lieblingsautoren, Arno Schmidt (1914 – 1979) mit großer Lust und oft sarkastisch Schriftstellerkollegen für physikalisch ungenaue und unmögliche Passagen kritisiert (z.B. hier und hier und hier und hier und hier und hier). Dabei spielen die Mondphasen eine wichtige Rolle. So schreibt er in „Und es blitzten die Sterne…“: Leopold Schefer, bekanntlich einer meiner Lieblinge, kriegt das leider auch fertig, in seinem Gedicht „Nordlicht“ zu schwelgen:
„Denn feurig geht der Vollmond gar nun auf,
bang ächzend schwirrt die Eule wieder um,
die alte Weide leuchtet wie ein Geist,
und nach der Sterne Stand ist’s Mitternacht.“
Sorry! : das, was um Mitternacht aufgeht, kann nur ein abnehmender Halbmond sein. (Und man komme mir, bitte, nicht mit ‚Stimmung‘ und ähnlich feinsinnigen Ausreden; da frage ich nur zurück : hätte er nicht auch sagen können, „denn feurig geht der Halbmond gar nun auf`“?).
Auf dem Foto geht der Vollmond auf, während die Sonne untergeht, wie man deutlich an den rötlichen Teint des Münsteraner Schlosses erkennen kann. Dass der östliche Himmel auch einen leichten Rotschimmer hat, ist nicht die Dämmerung, sondern die Gegendämmerung.
Ob Eduard Mörike in seinem Gedicht „Früh im Wagen„, in dem er die Situation korrekt beschreibt, Schmidts Lob geerntet hätte? Ich bin mir da nicht sicher.
Arno Schmidt hat völlig recht. Wer über den Mond schreibt, sollte ihn zuvor genauer betrachten. Dann wüsste er, wo er wann aufgeht. Dasselbe trifft natürlich auch für die Sterne zu. Undenkbar, dass sich Sappho in solchen Fragen geirrt hätte. (https://gerdakazakou.com/2015/12/20/griechische-dichtung-am-sonntag-sappho/)…
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Das stimmt schon, aber er sollte seinen „Kollegen“ die Wahrheit so hinhalten, dass man hineinschlüpfen kann. Das tut er nicht und ist trotz seines intelligenten Werks oft angeeckt. Außerdem ganz allgemein: Wer betrachtet heute schon noch den Mond und die Sterne genauer?!
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Sehr schön formuliert!
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wenn ich denn mal über Mond und Sterne schreibe, schaue ich nach, wie es damit bestellt ist. Als ich meinen Roman „Schwanenwege“ zu schreiben begann, – das war am 28. März 2005 – prüfte ich täglich die Sternenkonstellationen und den Mondstand, um keine Fehler zu machen.
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Hast du den Roman publiziert?
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Nein, immer nur mal dies und das im Blog. ist ein Fragment von 700 Seiten geblieben. Eigentlich geht es um das Motiv Schwan in der Mythologie, Religion, Ornithologie, Astronomie, Märchenwelt, Poesie, Malerei. Daraus habe ich kein Sachbuch, sondern einen Roman gemacht. Und da es eben auch den Cygno als Sternbild gibt, ist einer der Helden ein Sterngucker.;)
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Schade, klingt ganz nach meinem Geschmack!
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das freut mich! Aber sag das mal einem Verlag. Nun ja, ich habe vielleicht zu schnell aufgegeben.
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Leider sind viele Verlage nur noch auf die Höhe der Auflage aus. Mir ist bei entsprechenden Verhandlungen schon mal wörtlich gesagt worden, dass die Qualität zweitrangig sein.
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Da ist was dran. Man spürt es leider auch bei so manchen Veröffentlichungen, dass Qualität zweitrangig ist. Wie in der Politik auch.
Mich frustrierte besonders, dass das Tor zu Verlagen gehütet wird von LektorInnen, die meinen Text nicht mal verstehen würden, wenn sie ihn denn lesen würden. Nicht, weil ich gesucht unverständlich schriebe, ganz im Gegenteil, sondern weil ich die gegenwärtigen Geschehnisse in mythologische Bezüge stelle. Das Schreiben hat aber Spaß gemacht, und so bedaure ich nichts.
Noch mal Danke für dein Interesse.
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Der Spaß ist doch das Entscheidende. Man denke nur an die vielen interessanten Blogs, die ja meist auch mit viel Herzblut und Zeitaufwand aus reinem Vergnügen gemacht werden.
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Bobby Fischer hatte einst, nach seinem Rückzug vom Schach, eine Analyse eines der stärksten amerikanischen Großmeister in einem Tagesblatt scharf kritisiert. Der GM hatte eine Stellung aus einem laufenden Turnier als ausgeglichen bewertet, weil die gewöhnlichen Anzeichen darauf hindeuteten („schlechter Läufer“ auf der Seite des Weißen):
„You can’t fool me a bit!!!“.
Fischer sah halt tiefer und erkannte, daß gerade der schlechte Läufer in Wirklichkeit ein guter war und daß die Stellung tatsächlich hoffnungslos war und keinesfalls remis. Dem Schreiberling hatte solch eine öffentliche Kritik des wahrscheinlich stärksten Spielers aller Zeiten sicher nicht gut getan!
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Ich vermute mal, dass dem Schreiberling bei einer falschen Beschreibung der Mondphasen kaum Probleme gehabt hätte. Denn obwohl sie wesentlich einfacher zu durchschauen sind als ein Schachpartie, hält man dieses Wissen meist für nicht so wichtig.
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Selbstverständlich kann der Vollmond um Mitternacht aufgehen. Allerdings nicht in mitteleuropäischen Breiten. – Richtig ist: Bei Vollmond sind Mondaufgang und Sonnenuntergang ungefähr gleichzeitig, denn Mond und Sonne stehen sich gegenüber – von der Erde aus gesehen. Geht der Vollmond um Mitternacht auf, so geht die Sonne also gerade unter. Eine um Mitternacht untergehende Sonne geht zur selben Zeit wieder auf. Wir haben also Mitternachtssonne. – Das beobachtete Ereignis könnte also bspw. am 21. Juni am nördlichen Polarkreis geschehen – der volle Mond geht auf, allerdings gleich wieder unter.
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Vielen Dank für die ergänzende Darstellung. Allerdings muss ich Arno Schmidt insofern in Schutz nehmen, als er auf das auf unsere Breiten bezogene Gedicht reagiert. Ich traue ihm aufgrund seiner großen naturwissenschaftlichen Kenntnisse durchaus zu, dass er auch die Situation am Polarkreis richtig eingeschätzt hätte.
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