„Zündet man eine Kerze an,
erhält man Licht.
Vertieft man sich in Bücher,
wird einem Weisheit zuteil.
Die Kerze erhellt die Stube,
das Buch erleuchtet das Herz.“
Aus China
Lichttechnisch gesehen ist die Kerze ein Fossil, aber ein liebenswertes, das nicht mehr notwendigerweise der Beleuchtung, sondern eher der Erleuchtung und der Schaffung einer stimmungsvollen Atmosphäre dient. Die Menschen, die seinerzeit auf die Kerze als Beleuchtungsmittel angewiesen waren, sahen die Situation daher weitaus nüchterner. Selbst der Dichterfürst Goethe, sonst um keine poetische Wendung verlegen, stellt schlicht fest:
Wo Lampen brennen, gibts Ölflecken,
wo Kerzen brennen, gibts Schnuppen,
die Himmelslichter allein
erleuchten rein und ohne Makel.
Die Schnuppen. Heute wissen die meisten Menschen gar nicht mehr, was Schnuppen sind. Darunter versteht man die lange nicht zu bewältigende unangenehme Eigenschaft, dass der Kerzendocht in früheren Zeiten nicht gleichmäßig abbrannte, sondern in der Mitte stehenblieb. Ab einer bestimmten Länge fing er dann an unangenehm zu qualmen, so dass er ständig mit einer Lichtputzschere gekürzt und die Kerze damit geschnuppt werden musste.
Heutige Kerzen rußen nicht mehr. Der Trick der das möglich macht besteht darin, die Dochte asymmetrisch zu konstruieren. Als solche neigen sie sich zur Seite, sobald sie eine bestimmte Länge erreicht haben. Dadurch geraten sie mit ihrer Spitze in den heißen Außenbereich der Flamme und verbrennen immer gerade auf die passende Länge für eine optimale Flamme. Früher hatten die Kerzen einen symmetrischen runden Querschnitt, der keine Vorzugsrichtung für eine Neigung aufwies und daher sehr viel länger wurde bis die Flamme blakte.
Dieser Einfall war eines der letzten Elemente in einer Kette von Selbstorganisationsvorgängen, die die Kerze physikalisch gesehen, zu einer nahezu wartungsfreien, mit weitgehend konstanter Flamme leuchtenden Lichtquelle gemacht haben. Man kann sich meines Erachtens nicht genug darüber wundern, wie die zahlreichen physikalischen Prozesse, die nötig sind, um eine Kerze zum Leuchten zu bringen, natürlicherweise optimal aufeinander abgestimmt sind. Das schafft man bei modernen Leuchtmitteln nur mit einer ausgeklügelten Elektronik.
In früheren Zeiten waren Kerzen sehr wertvoll. In normalen Haushalten leistete man sich nur dann mehrere Kerzen, wenn Besuch kam. Ansonsten saß die ganze Familie typischerweise bei einer Kerze im Wohnzimmer. Vermutlich ist aus dieser Not, dass bei der schwachen Beleuchtungsstärke nur einer lesen konnte, als Tugend die Praxis des Vorlesens hervorgegangen. In der Tat war es in vielen Familien üblich, dass bei einer Kerze für mehrere Personen vorgelesen wurde – ein aus mehreren Gründen segensreicher und wohltuender Brauch.
Selbstorganisation, das ist ein geradezu magisches Wort.
Irgendwo las ich über „Ungleichgewicht“ als Motor vieler Vorgänge von chemischen bis kosmologischen Feldern, etwa das beständige Ausgleichen von Ladungsunterschieden auf atomarer Ebene.
Jemand nannte das eine Binse, wohl weil man damit unzulässig viel zu erklären sucht. Das kann schon sein, als Novize klammert man sich gerne an Begriffe, die den Wust an Erscheinungen etwas aufzufächern versprechen.
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Natürlich kann mit wissenschaftlichen Begriffen, die aus lebensweltlicher Sicht irgendwie magisch wirken, viel Unfug getrieben werden. Aber in den Naturwissenschaften lassen sie sich präzise fassen. Ein Merkmal sich selbst organisierender Prozesse ist die Nichtlinearität der zugrunde liegenden Bewegungsgleichungen. Alltägliche Phänomene mit Selbstorganisation sind z.B. solche, bei denen Rückkopplung im Spiel ist. Bei mir im Blog findest du einige Beispiele auf Schulniveau (https://hjschlichting.wordpress.com/2006/01/22/einfache-experimente-zur-selbstorganisation-strukturbildung-bei-sand-und-anderen-granulaten/
Mit dem Schlagwort „Selbstorganisation“ findest du weiteres.
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