Adventzeit ist Kerzenzeit. Wer in Anwesenheit des Kerzenlichts seine Umgebung bewusst erlebt, kann vielleicht Erfahrungen von Menschen aus früheren Zeiten verstehen, für die das Kerzenlicht zu den anspruchsvollsten künstlichen Leuchtmitteln gehörte. Hier eine kleine Episode aus Nikolai Ljesskow*, die leicht als religiöser Humbug angesehen werden kann. Dabei sollte man jedoch nicht übersehen, dass einer solchen Deutung ein beobachtbares Geschehen zugrunde liegt.
Der Onkel fiel nicht, sondern stürzte auf die Knie, berührte mit der Stirne den Boden, schluchzte auf und erstarrte.
Ich saß mit zwei Klosterfrauen in einer dunklen Ecke hinter der Türe. Der Onkel lag lange Zeit unbeweglich und ohne einen Ton von sich zu geben. Ich glaubte sogar, daß er eingeschlafen sei und teilte diesen Verdacht einer der Schwestern mit. Die erfahrene Schwester dachte eine Weile nach, schüttelte den Kopf, zündete ein dünnes Lichtchen an, umschloß die Flamme mit der hohlen Hand und schlich sich leise zum Büßenden. Sie ging einmal auf den Fußspitzen um ihn herum, kehrte erregt zu uns zurück und flüsterte:
»Es wirkt … sogar mit Rückschlag!«
»Woran merken Sie das?«
Sie beugte sich vor, bedeutete mir durch ein Zeichen, dasselbe zu tun und sagte:
Blicken Sie gerade über die Flamme auf seine Beine.«
Ja!«
»Sehen Sie nicht das Ringen?«
Ich blicke genauer hin und sehe wirklich eine Bewegung: der Onkel liegt voller Andacht im Gebet, aber ihm zu Füßen regt sich etwas; ich glaube zwei Kater zu sehen, die miteinander ringen: bald hat der eine die Oberhand, bald der andere.
»Schwester,« frage ich, »wie kommen denn die Kater her?«
»Das kommt Ihnen nur so vor, daß es Kater sind. Es sind aber keine Kater, es ist die Versuchung: Sie sehen doch, wie seine Seele als reine Flamme in den Himmel strebt und wie seine Beine sich noch in der Hölle bewegen.«
Nun sehe ich, daß der Onkel mit den Füßen den gestrigen »Trepak« zu Ende tanzt; ob seine Seele aber auch wirklich als reine Flamme in den Himmel strebt?
Aus physikalischer Sicht scheint sich hingegen eine ganz andere Deutung anzubieten. Wenn man durch das Umfeld einer Kerze hindurch auf unbewegte Gegenstände blickt, scheinen sich diese zu bewegen, weil sich je nach der Temperatur der durch die brennende Kerze erwärmten Luft deren Dichte und damit der Brechungsindex ändert. Das führt zu einer mehr oder weniger großen Ablenkung des von den Gegenständen ausgehenden Lichts, was den Eindruck einer Bewegung derselben hervorruft. (Mit einem kleinen Trick kann man die unterschiedliche Dichte der Luft in der Umgebung einer Kerze visualisieren.)
Es handelt sich dabei um das gleiche Phänomen, das dem Flimmern horizontnaher Sterne zugrunde liegt.
Ljesskow, Nikolai: Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten. München 1921
Es gibt auch psychologische Effekte, die eine Bewegung vortäuschen können. Einige Fälle so erlebt.
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Klar, gibt es die. Hier schien mir aber wegen der bewegten Kerzenflamme ein physikalischer Effekt wahrscheinlicher.
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