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Marginalia, Physik im Alltag und Naturphänomene

Kristallin überzuckertes Eisfachwerk

Nachdem ich nach der „Regenzeit“ und zu Beginn der ersten frostigen Nächte die Bildung von Eisstrukturen (hier und hier und hier und hier) beobachten konnte, muss ich nunmehr nach anhaltend kaltem Wetter mit den Eisstrukturen vorlieb nehmen, die die Pfützen zurückgelassen haben, nachdem das restliche Wasser versickert ist und das Eis auch den Pfützenboden erreicht hat. Auch da gibt es noch viel zu sehen.
Das aktuelle Foto zeigt eine Fachwerkstruktur, die vermutlich im Wettlauf des Zufrierens der Pfütze und des versickernden Wassers entstanden ist. Wenn eine Pfütze zufriert, starten meistens dünne Eiskristalle, die zunächst schnurgerade über die Wasseroberfläche wachsen und erst durch die Kollision mit anderen Kristallen aufgehalten werden, die aus anderen Richtungen gekommen sind. Die Zwischenräume frieren dann fast gleichzeitig zu, sodass von den Kristallen meist nichts mehr zu sehen ist. Wenn das Wasser jedoch so schnell versickert, dass der Kontakt zu den Kristallen bereits verloren geht, bevor der Zwischenraum gefüllt werden können, hängen die „Balken“ plötzlich in der Luft und werden nur noch durch den von der immer tiefer liegenden Wasseroberfläche ausgehenden Wasserdampf versorgt. Dadurch kommt es zu einem Ausbau und einer Stabilisierung der Balken, die zu einem aus Zufall und Notwendigkeit gestalteten Fachwerk auswachsen, wie  auf dem Foto zu sehen ist. Wenn diese dann auch noch mit Reifkristalle überzuckert werden, können ästhetisch ansprechende abstrakte Bilder entstehen. Je nachdem wie tief die Balken nach unten gewachsen sind, können diese Strukturen sehr tragfähig sein und von einem (nicht zu schweren) Menschen betreten werden. Mich trugen sie :).

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Diskussionen

11 Gedanken zu “Kristallin überzuckertes Eisfachwerk

  1. Guten Morgen, Joachim, gestern sinnierte ich mit Petra Pawlofsky darüber, dass all die verschiedenen Formen, die wir in der Natur vorfinden, auch in uns tragen, ob wir diese Formen je gesehen haben oder nicht und dass diese, wenn wir uns „freilassen“ ihren Weg auf die Bildoberfläche finden.
    Du denkst an Fachwerk, ich an Verzweigungen.
    Wie auch immer noch, ich mag dein Foto sehr und dieses Mal kann ich mir sofort deine Erklärung merken 😉
    herzliche Grüße
    Ulli

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    Verfasst von Ulli | 2. Februar 2019, 08:13
    • Guten Morgen, liebe Ulli! Ich würde sagen, das aus naturwissenschaftlicher Sicht Lebewesen auch den physikalischen Prozessen unterworfen sind, die in der Außenwelt auftreten. Das führt oft zu ganz ähnlichen Strukturen. Man denke nur an die Knochen, die aus ähnlichen „Fachwerken“ oder „Verzweigungen“ bestehen, wie sie auf der zufrierenden Pfütze zu beobachten sind.
      Fachwerk war nur ein Begriff, der mir angesichts der erstaunlichen Stabilität des Gebildes einfiel. Verzweigung ist natürlich rein phänomenologisch ebenso gut und vielleicht sogar besser.
      Liebe Grüße, Joachim

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 2. Februar 2019, 12:33
  2. Instruktiv.
    … starten meistens dünne Eiskristalle, die zunächst schnurgerade über die Wasseroberfläche wachsen…
    Welche Eiskristalle bekommen die „Chance“ zu wachsen, wie müssen sie beschaffen sein? Es können ja nicht eine Unmenge an Eiskristallen zu wachsen beginnen. Hängt das mit Statistik zusammen? Sind also nur eine Handvoll Eiskristalle – zufällig – in dem Zustand, daß sie wachsen können?

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    Verfasst von kopfundgestalt | 2. Februar 2019, 11:23
    • Schneekristalle entstehen bevorzugt an sogenannten Keimen. Das sind im Wasser vorhandene feste Teilchen, an denen die Wassermoleküle andocken und den Ausgangspunkt der Kristallbildung bilden. Ist erst einmal ein Kristallembryo entstanden, so ist dieser natürlich die beste Andockstelle. Die Kristalle wachsen dann je nach Orientierung des Kristallembryos und anderer Bedingungen (Temperaturverteilung, Luftströmung, …) in eine bestimmte Richtung weiter. Da dies an mehreren Stellen und in unterschiedliche Richtungen gleichzeitig passiert, kommen sich die Kristalle in die Quere.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 2. Februar 2019, 11:41
      • Herzlichen Dank, Joachim!
        Wenn im Wasser keine grösseren festen Teilchen wären, würden dann auch winzigste feste Teilchen genügen? Gibt es da eine Untergrenze?
        Ohne feste Teilchen als Keimzelle können sich wohl keine solche Strukturen bilden?!

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        Verfasst von kopfundgestalt | 2. Februar 2019, 12:14
      • Letztlich gefriert Wasser oder Wasserdampf auch dann, wenn keine Keime vorhanden sind, das ist dann aber nicht bei 0° C sondern ggf. bei tiefen Minusgraden bis hin zu -33° C (wenn ich es recht erinnere). Man spricht dann von unterkühler Schmelze. Man kennt das z.B. von Mineralwasser, das man längere Zeit in der Tiefkühltruhe hatte. Man nimmt das noch flüssige Wasser aus der Truhe und erlebt, dann z.B. beim Öffnen der Flasche, dass der Inhalt gefriert. Insofern ist die Untergrenze bei Molekülgröße. Aber größer Feststoffe sind wesentlich geeigneter.

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        Verfasst von Joachim Schlichting | 2. Februar 2019, 15:27
      • Danke! 🙂

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        Verfasst von kopfundgestalt | 2. Februar 2019, 15:49
  3. Die Eiskristalle sind wirkliche Kunstwerke.

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    Verfasst von Susanne Haun | 2. Februar 2019, 12:11

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