//
Physik im Alltag und Naturphänomene

Der Mond bleibt uns stets zugewandt

Kaum jemand wundert sich darüber, dass das „Mondgesicht“ immer dasselbe bleibt. Müsste sich der Mond nicht von allen Seiten zeigen, wenn er sich nicht um sich selbst, sondern nur um die Erde drehte? Und wäre das Problem nicht von gleicher Art, wenn der Mond die Erde umkreisend auch noch um sich selbst rotierte? Denn auch dann wären im Allgemeinen wechselnde Ansichten zu erwarten. Nur in dem Spezialfall, in dem er sich während eines Umlaufs um die Erde auch genau einmal um sich selbst drehte, wäre stets derselbe Anblick zu erwarten. Aber genau dieser Fall liegt vor und hat zur Folge, dass wir immer dasselbe Mondgesicht vor Augen haben und uns jedenfalls von der Erde aus gesehen die Rückseite des Mondes verborgen bleibt.
Auf den ersten Blick legt dieser Befund anthropomorphe Überlegungen nahe: Wenn der Mond schon seine Phasen wechselt, so können wir zumindest erwarten, dass er uns zugewandt bleibt und wir während der stillen Kommunikation in dasselbe Antlitz blicken. Die Wahrheit ist indessen viel einfacher und das Ergebnis purer physikalischer Notwendigkeit. Indem sich der Mond um die Erde bewegt, üben beide Himmelskörper Gezeitenkräfte aufeinander aus, die nicht nur auf der Erde große Wassermassen in Bewegung setzen, sondern auf beiden Himmelskörpern auch in der festen Substanz zu umlaufenden Aufwulstungen führen. Wie jeweils zwei riesige Bremsbacken wirken die Gezeiteneffekte auf die Himmelkörper mit dem Ergebnis, dass diese im Laufe der Zeit abgebremst und damit immer langsamer werden. Da der Mond eine wesentlich geringere Masse hat als die Erde, wirkt sich die Bremsung auf dem Mond stärker aus als auf die Erde. Und das ist der Grund dafür, dass der Mond im Laufe der Zeit so viel Bewegungsenergie verloren hat, dass die Gezeitenaufwulstung durch den Einfluss der Erde stationär geworden und an derselben Stelle des Mondes fixiert bleibt. Man spricht von einer gebundenen Rotation.
Wenn man es ganz genau nimmt, ist die Synchronisierung der Monddrehung mit seinem monatlichen Umlauf um die Erde nicht ganz perfekt. Da die Mondbahn nicht ganz kreisförmig sondern leicht ellipsenförmig ist, nimmt die Umlaufsgeschwindigkeit des Mondes um die Erde in den erdnächsten Bereichen (Perihel) etwas zu und nimmt in den erdfernsten Bereichen (Aphel) etwas ab. Dadurch bekommt man abwechselnd auch etwas von den jeweiligen Mondseiten zu sehen. Diese von der Erde als eine Art Taumeln wahrgenommenen Verschiebungen nennt man Libration.
Nachbemerkung: Auch die Erde wird im Laufe der Zeit durch den Mond gebremst; sie dreht sich immer langsamer um sich selbst, sodass die Tage länger werden. Das passiert aber so langsam, dass in einem menschlichen Leben nicht direkt etwas davon zu merken ist.

Diskussionen

14 Gedanken zu “Der Mond bleibt uns stets zugewandt

  1. Joachim, hoffe morgen (heute) detailliert antworten zu können 🙂

    Gefällt 1 Person

    Verfasst von kopfundgestalt | 11. März 2019, 01:49
  2. Über den Grund der Synchronisation wusste ich nichts, danke dafür. Hier zeigt sich wieder mal, daß man viele Alltagsphänome einfach so hinnimmt, ohne sie zu verstehen.

    Gefällt 2 Personen

    Verfasst von kopfundgestalt | 11. März 2019, 08:09
  3. Ich verstehe leider nur Bahnhof. Ich habe bereits Probleme, den Begriff der Rotation in Bezug auf den Mond anzuwenden. Er schaut immer zu uns wie das Kind, das von der Mutter im Kreis rumgewirbelt wird. Die Mutter rotiert, nicht das Kind. Und so ist es auch kein Wunder, wenn sich das Kind in seinem größeren Kreis mit dem rotierenden Zentrum – der Mutter – synchron bewegt. (Der Mond ist ja wohl ein Teil der Erde, der sich aus der Erdmasse herausgelöst hat?)
    Entsprechend verstehe ich auch das Wort Ausbremsung nicht. Wie schnell war der Mond denn zur Zeit seiner Entstehung? Drehte er sich da wie ein Kreisel, -zigmal so schnell wie ein Tag? Und vor einer Million Jahren, war er da noch schneller, so dass man ihn von allen Seiten oder mindestens von drei Viertel der Seiten gesehen hätte? Und was hatte solch schnelles Drehen für Auswirkungen auf die Erd- und die Mondoberfläche? Gibt es Verlaufs-Darstellungen vom Mond von der Zeit seiner Entstehung bis heute?
    Nun, für den Anfang genug der Fragen. Ich muss jetzt raus. Hier ist „Sauberer Montag“, Drachen („Adler“) steigen in den seidig blauen Himmel. Sie bewegen sich, leicht vom Wind gehoben, entsprechend dem Willen des Schnurhalters – die mit der Erde mit rotieren, ohne es zu bemerken.
    Liebe Grüße!

    Gefällt 1 Person

    Verfasst von gkazakou | 11. März 2019, 10:38
    • Dann habe ich nicht gut genug erklärt. Ich versuche es einmal so. Du legst eine Münze auf den Tisch, die Erde. Dann nimmst du eine zweite Münze, den Mond und legst sie in einem gewissen Abstand zur ersten daneben und markierst die Seite die zur Erde zeigt mit einem farbigen Stift. Jetzt schiebst du den Mond ohne ihn zu drehen mit dem Zeigefinger auf einem Kreisbogen um die Erde. Du wirst sehen, dass die markierte Seite nach kurzer Bahn schon nicht mehr auf die Erde weist. Sie tut es erst wieder, wenn der Kreis vollendet ist und du am Ausgangspunkt zurück bist. Bewege jetzt den Mond so um die Erde, dass die markierte Seite immer der Erde zugewandt bleibt. Du wirst feststellen, dass du den Mond dabei drehen musst und zwar einmal um sich selbst, wenn du zum Ausgangspunkt zurückgelangt bist. Das war meine Aussage. Der Mond muss sich bei jedem Umlauf um die Erde auch einmal um sich selbst drehen.
      Es wäre ein extremer Zufall, wenn das von Anfang an – wie immer der ausgesehen haben mag – so gewesen wäre. Man geht daher vom allgemeinsten Fall aus, dass der Mond sich anfangs mit irgendeiner zufällig gegebenen Geschwindigkeit gedreht hat. Durch die Gezeitenkräfte ist er dann so abgebremst worden, dass die durch die Erde hervorgerufenen Gezeitenaufwölbung relativ zur Erde an derselben Stelle zum Stillstand gekommen ist.
      Wie schnell sich der Mond anfangs um sich selbst gedreht hat ist nicht genau bekannt – keiner war dabei – das hängt von der jeweiligen Entstehungsgeschichte ab – ein Thema für sich.
      Im Rahmen der Physik (so wie sie sich seit den alten Griechen bis heute entwickelt hat) kann mit (der wissenschaftsimmanenten) Sicherheit nur das gesagt werden, was ich im ersten Abschnitt versucht habe, sehr vereinfacht darzustellen. Damit kann man übrigens auch beschreiben, warum die Drachen oben bleiben.

      Gefällt 1 Person

      Verfasst von Joachim Schlichting | 11. März 2019, 20:57
      • danke, Joachim, für deine geduldige Erklärung. Mir ist schon beim Spazierengehen klargeworden, dass es ohne Rotation des Mondes nicht geht. ich habs mir allerdings nicht mit dem anschaulichen Bild der Münzen verdeutlicht. Es erinnerte mich an meine Schulzeit, ich denke, es war die Quinta und ich 11 Jahre alt, als ich das Privileg hatte, mit dem Globus den Mathelehrer zu umkreisen, um so anschaulich zu machen, wie es sich mit der Erde und der Sonne verhält…..

        Weniger befriedigend finde ich deine Bemerkung zum Phänomen selbst: dass es „ein extremer Zufall“ wäre, wenn der Mond sich seit Anbeginn so verhalten hätte, wie er sich in der eben gerade beschriebenen Weise zur Erde verhält. Ist es nun ein Zufall — oder ist es kein Zufall – dass der Mond heute gerade so schnell rotiert, dass er mit der Tagesrotation der Erde Schritt hält? ich neige dazu, dies NICHT für einen Zufall zu halten, Vielleicht kannst du mir die „Gezeitenaufwölbung“ noch mal erklären, die ja anscheinend die Ursache dafür ist? Und natürllich auch, was das damit zu tun hat, dass der Drachen in der Luft bleibt
        Herzlliche Grüße zur Nacht!

        Gefällt 1 Person

        Verfasst von gkazakou | 11. März 2019, 21:27
      • Dass der Mond von Anfang an bei jedem Erdumlauf sich genau einmal um sich selbst dreht, ist sehr unwahrscheinlich, weil es beliebig viele andere Möglichkeiten gibt – insofern sprach ich von Zufall.
        Dass er sich heute so verhält ist kein Zufall, sondern physikalische Notwendigkeit. Und das kommt so:
        Die Erdanziehung sorgt u.a. dafür, dass die der Erde zugewandte Seite sich aufwölbt. (Wenn es auf dem Mond Wasser gäbe, wäre dort ein Flutberg*). Diese Aufwölbung der festen aber plastischen Masse des Mondes bleibt zwar immer erdzugewandt. Aber da der Mond sich um sich selbst dreht, läuft sie von einem festen Beobachter auf dem Mond gesehen um den Mond herum und walkt ihn gewissermaßen durch. So ähnlich** wie die Eindellung eines Autoreifens an der Berührungsstelle mit der Straße infolge der Raddrehung um den Reifen herum läuft. Das kostet Energie: der Mond wird abgebremst bis dieser Wulst sich nicht mehr relativ zum Mond bewegt. Ohne Antrieb würde auch ein Reifen stehen bleiben, bis die Eindellung immer an der derselben Stelle bleibt. You got it?
        Auch dir eine gute Nacht!

        * In Wirklichkeit gibt es auf der erdabgewandten Seite einen weiteren Flutberg. Aber darauf gehe ich jetzt der Einfachheit halber mal nicht ein.
        ** sehr vereinfacht

        Like

        Verfasst von Joachim Schlichting | 11. März 2019, 22:03
  4. schön wärs ja, wenn ich jetzt aus vollem Herzen sagen könnte:ich hab es verstanden. Aber nein, ich bin begriffsstutzig. Werde mir die Sache mit der Delle durch den Kopf gehen lassen, vielleicht geht mir ja doch ein Licht auf.(Hoffentlich bekommt mein Kopf dabei keine Delle). Gute Nacht!

    Gefällt 1 Person

    Verfasst von gkazakou | 11. März 2019, 22:33

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Photoarchiv