Einem Baum ist wahrlich nicht in die Wiege gelegt, sich dereinst mit einem Zaun, einem menschlichen Produkt auseinanderzusetzen. Aber dazu herausgefordert agiert er in einer ganz bestimmten Weise. Er verleibt sich den sich seinem vertikalen Wachstum in den Weg stellenden Drahtzaun schlichtweg ein. Dabei war der Zaun zuerst da und das Samenkorn des Baums fiel vermutlich durch Zufall just an eine Stelle, die den Konflikt zwischen Natur und Technik unvermeidlich machen sollte.
Dank des Geotropismus wächst der Stamm des Baumes (möglichst) senkrecht nach oben. Diesem aufstrebenden Baum steht schon bald ein gespannter Draht im Wege. Der Druck den der wachsende Stamm gegen das Hindernis aufbringt, reicht offenbar nicht aus, es zu beseitigen. Die Möglichkeit, dem Draht auszuweichen, also beispielsweise um den Draht herum zu wachsen wird offenbar nicht ergriffen. Stattdessen behält der Baum im Wesentlichen seine strenge Aufwärtsbewegung bei und verschlingt gewissermaßen die Drähte.
Ich frage mich, wie es zu diesen Verhaltensweisen kommt. Offenbar wird der gespannte Draht als marginal angesehen, obwohl die sichtbaren Narben, die er bei der Integration der Drähte davonträgt, schon von einer erheblichen Verletzung zeugen. Man kann wohl davon ausgehen, dass der Baum den Zaun nicht als Stabilitätsfaktor erkennt, wie es beispielswiese der Fall ist, wenn verschiedene Bäume, die sich in die Quere kommen, mit den Ästen zusammenwachsen können und das dadurch entstehende Fachwerk als Stabilitätselement (z.B. gegen Stürme) zum Vorteil für beide Seiten gereicht. (Allerdings könnte man in diesem Beispiel schon ins Grübeln kommen.)
Und manchmal sieht die Vereinigung ganz schön menschlich aus, allzu menschlich.
Wie dem auch sei, der Draht hat dem Baum vermutlich nicht nachhaltig geschadet. Und der Zaun profitiert von einem zusätzlichen „Pfahl“ der seine Stabilität erhöht. Aber das dürfte weder in der Intention des Zauns noch der Baums gelegen haben. Es bleibt ein interessanter Effekt, der zu allerlei Gedanken Anlass gibt.
das Foto tut richtig weh. Ja, es gibt viel her, um drüber nachzudenken….
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Das ist sehr gut ausgedrückt. Jetzt wo du es sagst, merke ich, dass ich es unbewusst wohl ebenso empfunden habe…
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Das Wachstum des Baums würde bei bestimmten Faktoren bestimmt ausweichen. Die mangelnde „Erkenntnis“ des Baums verführt dazu, das Spiel des Wachstums mit dem Draht zusammen weiterzuführen.
Vorgestern eine Spinne im Bad gesehen, die offenbar eine andere vollkommen gleichen Typs ausgesagt hatte. Wie kann es denn sein, daß eine Spinne in eine Falle geht, die exakt so auch von ihr ausgelegt wird?!
Da ist etwas in der Programmierung falsch gelaufen bzw. war das Programm nicht komplett.
I.d.R. sind die biologischen Programme hyperkomplex, aber sie können nicht alles abbilden. Da sind Nischen und Lücken, in denen sich „das Lebendige“ hindurchzwängt und sein unvorhersehbares Spiel treibt!
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Was die Spinne betrifft, so ist es offenbar so, dass sie selbst im eigenen Netz vorsichtig sein muss, um nicht an den klebrigen Tropfen an den Fangfäden hängenzubleiben. Andere Spinnen, die – aus welchen Gründen auch immer – in das Netz geraten, sind natürlich im Nachteil, wenn sie dann in übereilter Flucht unvorsichtig sind, ist es um sie geschehen. Sie werden sofort von der „Eigentümerspinne“ im wahrsten Sinne des Wortes eingepackt.
Ich denke nicht, dass dieses Verhalten nach einem fertigen Programm abläuft – ebensowenig wie beim Menschen. Ansonsten wäre alles determiniert.
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Nichts ist determiniert -das war so nicht mein Anliegen.
Die wenigen Neuronen eines solchen Tiers ( sind es einige Zehntausend?!), müssen es schaffen, Bein für Bein eines x-beliebiges Beutetiers zu fixieren und dann danach den finalen Biß anzusetzen.
Ob es da „Wahlfreiheit“ für ein Verhalten gibt oder nicht, das ist die spannende Frage.
Bei einer Springspinne hat man durch künstliches Licht eine Situation geschaffen, in der die Spinne immer wieder ihr Opfer verfehlt hat, weil die Berechnung durch die Gegenwart dieses Lichts falsch lief. Ich denke nicht, daß die Spinne hier dazulernen kann.
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Ich habe über ein Experiment mit Spinnen gelesen. Einer Spinne wurde eine artgleiche andere ins Netz gesetzt. Letztere hatte nicht Eiligeres zu tun als zu fliehen. Der Versuch wurde mehrere Male wiederholt, bis die „Netzbetreiberin“ schließlich aus der Deckung kam und den Eindringling in Windeseile in ein kompaktes Paket einspann und dieses dann zu einem „sicheren“ Ort transportierte.
Der Eindruck war der, dass beide Spinnen die Auseinandersetzung nicht wollten und die vermeintlich angegriffene Spinne erst dann reagierte, als sie kein Versehen sondern gezielte Provokationen vermuten musste. Hier muss also doch so etwas wie eine Beurteilung der Situation erfolgt sein.
Ich denke, dass wir wesentlich weniger über das Verhalten selbst kleinster Tiere wissen (wissen können?) als man gemeinhin angesichts der Überlegenheit (mehr Neuronen) des Menschen unterstellt.
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Danke für diese Schilderung des Versuchs!
Ich las, daß diese zigtausend Neuronen auf eine Weise genutzt werden, die man auch mit Simultan/Mehrfachnutzung übersetzen könnte. So ist dann auch komplexeres Verhalten möglich.
Solche Versuche wie von Dir genannt decken nach und nach das Dunkel der Vorgänge im „Kleinstgehirn“ dieser Tiere auf.
Und das alles wirft ja auch noch die Anschlussfrage auf, welcher Mechanismen es bedarf, um angemessen auf die Umwelt zu reagieren: Sei es in Pflanzen, sei es sogar in einfachsten organischen Verbänden. Weil „Verhalten“ nötig ist, sind sozusagen von der Natur Lösungen dazu entstanden.
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Ich denke, da wird noch eine ganze Menge Forschung nötig sein, um auf derartige Fragen antworten zu können. Ich bin immer wieder überrascht, insbesondere auch von Pflanzen. Ein hochgelegener Komposthaufen, der einige Jahre vor sich hin „vegetierte“, war völlig von Baumwurzeln durchsetzt. Eine armdicke Wurzel war von einem entfernten Baum dorthin „gelegt“ worden. Kluges Kerlchen, dieser Baum.
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Du bringst eigene Beobachtung ein 🙂
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Ja, allerdings kann ich daraus keine belastbaren Schlüssen ziehen. Es bleibt mir, das kuriose Faktum festzustellen.
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Das ist wohl richtig. Allzuoft wird ja unzulässig schnell geschlossen.
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🙂
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Da wäre echt ein Zeitraffer interessant 😉 ich habe mal eine Dokumentation gesehen, daß Pflanzen durch Ausbreitung versuchen, ihre Nachbarn zu verdrängen, vielleicht hat der Baum es auch versucht?
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Da müsste aber jemand viel Geduld haben und eine für Jahre ungestörte Stelle finden. Dass sie andere verdrängen können glaube ich sofort, bei dem vom Menschen gemachten und in der Natur so nicht vorkommenden Draht, haben sie aber schlechte Karten. Obwohl, wenn man sich den Draht genauer anschaut, sieht man an einigen Stellen bereits Deformationen. Liebe Grüße und eine schönes Wochenende.
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