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Physik im Alltag und Naturphänomene, Strukturbildung, Selbstorganisation & Chaos

Filigrane Sanddächer in der Wüste

Einfach gesagt, besteht die Sandwüste aus zahlreichen hellen und dunklen in Größe und Form geringfügig voneinander abweichenden Körnchen. Ihre Wechselwirkungen beschränken sich darauf, dass sie sich stoßen und reiben. Dennoch vermögen sie auf diese Weise erstaunlich reichhaltige und ästhetisch ansprechende Strukturen hervorzubringen, die wir bereits an zahlreichen Stellen dieses Blogs in Wort und Bild gewürdigt haben (z.B. hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier ).
Umso erstaunter war ich bei einer Dünenwanderung, als ich in beträchtlicher Höhe auf filigrane Strukturen stieß, die nur an einer Stelle auf dem Untergrund aufliegend weit überstehende Minidächer und Brücken bildeten. Sie erinnerten an die feinen Eisstrukturen, die zuweilen unter wegschmelzenden Schnee entstehen können, wie ich an anderer Stelle beschrieben habe.
Es ist klar, dass in diesem Fall weitere Wechselwirkungen zwischen den Sandkörnern im Spiel sein müssen, vermittels der die Körnchen aneinander kleben. Eine Inspektion des Umfeldes zeigte, dass an dieser Stelle eine Art Pfütze bestanden haben muss, deren Sedimente sich beim Versickern des Wassers zu einer relativ festen Kruste verbacken haben. In der Nähe des stürmenden Meeres denkt man natürlich sofort an Salzwasser, das sich hier gesammelt und durch Verdunstung zu einer beträchtlichen Anreicherung des Salzes und schließlich einer Kristallisation im Verbund mit den Sandkörnchen geführt hat. Dass Salz im Spiel gewesen sein muss, ergab eine Geschmacksprobe, die ich angesichts der nicht gerade lecker aussehenden schmutzigen Kruste mit einiger Überwindung im Sinne des wissenschaftlichen Interesses vornahm. Dabei half mir die Vorstellung, dass die Pioniere der Elektrizität wesentlich mutiger waren, indem sie deren Stärke mit Hilfe von selbsterlittenen Stromstößen maßen und dabei nicht selten ihr Leben riskierten und teilweise auch verloren.
Wenn dem aber trotz einiger offener Fragen (siehe unten) so war, lässt sich der Rest der Geschichte wieder relativ leicht erzählen. Die eingetrocknete teils kristalline aus Salz- und Sand zusammengebackene dünne Sedimentschicht einer Salzwasserpfütze ist im Verlaufe der Zeit Opfer des ständigen Umbaus der Dünen infolge ihrer Wanderbewegung geworden. Dadurch wurde die Kruste schließlich unterhöhlt, der Sand wurde weggeblasen und die stehengebliebenen Krustenteile hatte ich hier vor Augen. In der Tat fand ich in der Umgebung nicht nur Teile des noch unversehrten ehemaligen Pfützenbodens, sondern auch größere und kleiner Fragmente, die vom Einsturz solcher Brücken zeugten. Dass sie dem Windstrom bisher widerstanden hatten lag daran, dass die zusammenhängenden und damit widerständigen Teilchen zunächst den leichteren, lockeren Körnchen darunter den Vortritt ließen. So kam es zu der Unterhöhlung.
Als ich am nächsten Tag weitere Untersuchungen anstellen wollte, war übrigens nicht mehr viel von den Strukturen zu erkennen. Sie waren teilweise völlig zusammengebrochen und teilweise vom Flugsand überdeckt und unter einer schon relativ dicken Rippelfläche verschwunden. Allerdings zeigten einige Schichtstrukturen, dass die festen Teile noch virulent waren. Zwei Tage später hatte ich äußerste Schwierigkeiten, die Stelle überhaupt wiederzufinden. Ein wohlweißlich in den Boden gesteckter Stab war der einzige sichtbare Hinweis auf das Feld des Geschehens.
Die Frage nach der Stabilität kann ähnlich beantwortet werden wie bei den Eisstrukturen.

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Diskussionen

8 Gedanken zu “Filigrane Sanddächer in der Wüste

  1. Das „Zusammenbacken“ fand also nur in der obersten Schicht statt !?

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    Verfasst von kopfundgestalt | 16. Mai 2019, 00:25
  2. Faszinierende Erscheinungen.

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    Verfasst von puzzleblume | 16. Mai 2019, 16:25

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