H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 6 (2019) S. 58 – 59
Was ist aber aus der Blase indessen geworden?
Sie ist ja zerplatzt ins Nichts,
wo ist nun noch eine Spur der Majestät,
mit der sie umkleidet war?
Bettina von Arnim (1785–1859)
Luftblasen, die auf der Wasseroberfläche schwimmen, platzen irgendwann – und lösen mehrere physikalische Prozesse aus. Dabei ist die treibende Kraft die Oberflächenspannung des Wassers.
Wenn ein Springbrunnen in einem Teich plätschert, entstehen auf der Wasseroberfläche größere und kleinere Luftblasen, die davon treiben und in ruhigerer Umgebung ein manchmal überraschend langes Dasein fristen. Eigentlich ist es bereits erstaunlich, dass sie sich überhaupt bilden – hat man es denn nicht bloß mit Wasser in seinen unterschiedlichen Formen und Bewegungszuständen zu tun? Aber wenn ein Tropfen des Brunnens aus einiger Höhe ins Wasser fällt, drückt er dieses beim Eintauchen zu den Seiten weg und reißt regelrecht ein Loch hinein. Die Oberfläche schließt sich mit einer kurzen Verzögerung wieder über dem sinkenden Tropfen, und ein Hohlraum bleibt zurück (siehe »Der Klang des tropfenden Wassers«, Spektrum Februar 2019, S. 60). Die eingefangene Luft bewegt sich wegen ihrer geringen Dichte sofort aufwärts und drückt eine dünne Wasserhaut mit nach oben. Oft platzt diese Blase sofort, doch gelegentlich lässt sie sich damit noch einige Zeit (siehe Foto 1a).
Die Lebenszeit hängt auch von der genauen Zusammensetzung der Flüssigkeit ab. Eine Haut aus reinem Wasser reißt wegen der großen Oberflächenspannung ziemlich schnell. Doch die im Teich stets vorhandenen Verunreinigungen, beispielsweise pflanzliche Proteine, verschaffen ihr eine gewisse Entspannung. Dann überdauert die Blasenwand länger und platzt erst, wenn sie durch Herabfließen von Wasser auf Grund der Schwerkraft eine kritische Dicke unterschreitet. Dabei kommt es zu einer Art Miniexplosion, denn die Blase steht im Vergleich zur äußeren Atmosphäre unter einem kleinen Überdruck. Deswegen beult sie die Wasseroberfläche zuvor auch etwas nach unten hin ein. Im Moment des Druckausgleichs bewegt sich die Delle wieder nach oben, schießt wegen ihrer Trägheit ein wenig über das Ziel hinaus, schnellt durch die rückstellende Kraft der gespannten Oberfläche wieder zurück und so weiter.
Das löst eine Wellenbewegung im Wasser aus – Ringe breiten sich nach außen über den Teich aus. Schaut man sie sich genauer an, eilen diejenigen mit den kürzeren Wellenlängen denen mit den längeren voraus. Diese besondere Reihenfolge lässt sich nur bei Wasserwellen beobachten, die höchstens wenige Zentimeter lang sind. Auf so kleinen Skalen dominiert nämlich die Oberflächenspannung als treibende Kraft der Schwingung, und es entstehen so genannte Kapillarwellen. Diese laufen umso schneller, je kleiner die Wellenlänge ist. Wirft man hingegen einen Stein ins Wasser so überwiegt der Einfluss der Schwerkraft, die auch das Wellengeschehen in den Ozeanen bestimmt. Im Fall solcher »Schwerewellen« sind die längeren Wellen schneller und entsprechende Ringsysteme würden gerade umgekehrt sortiert erscheinen.
Beim Platzen der Blase zerreißt die nasse Haut in kleinere Fragmente. Diese schnurren blitzschnell zu winzigen Tröpfchen zusammen, um die Grenzfläche mit der Luft zu minimieren und so viel Energie wie möglich an die Umgebung abzugeben (2. Hauptsatz der Thermodynamik). Einige der so entstandenen Tröpfchen vereinigen sich nicht sofort mit dem übrigen Wasser, sondern flitzen vorher noch ein Stück weit über dessen Oberfläche (siehe »Surfende Wassertropfen« Spektrum Februar 2018, S. 60).
Das untere Foto zeigt das Geschehen kurz nach einer solchen Explosion. Die letzten Schwingungen mit der größten Wellenlänge verlassen gerade den Ort des Geschehens und hinterlassen eine glatte Oberfläche. Dennoch erinnert etwas an das Vorangegangene: ein Kranz winziger Bläschen im Zentrum. Die größeren Blasen sind meist von mehreren viel kleineren umgeben. Erstere haben letztere sozusagen eingesammelt – ebenfalls eine Konsequenz des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik. Indem beide eine gemeinsame Oberfläche nutzen, verringern sie insgesamt ihre Energie. Da die kleinen Blasen langlebiger sind, bleiben sie noch eine Weile nach der Explosion erhalten. Rechts im Bild ist der Rest eines schon vorher explodierten Objekts zu erkennen. Die dadurch verursachte wellenförmige Störung ist aber längst verschwunden.
Das an sich transparente Medium macht die Vorgänge überhaupt erst sichtbar, indem es die Umgebung verzerrt widerspiegelt oder – bei flachen, klaren Gewässern – das Bild des Untergrunds bricht und krümmt. Ein dritter möglicher Effekt kommt hinzu, wenn die konzentrischen Wellen das Sonnenlicht als helle und dunkle Ringe auf den Teichboden bündeln beziehungsweise defokussieren. Manchmal treten alle drei Phänomene zusammen auf und konkurrieren regelrecht um die Aufmerksamkeit des Beobachters (siehe Foto 2). Dann demonstrieren die Blasen und die Wellen besonders eindrucksvoll, wie in einem scheinbar einfachen Vorgang zahlreiche mechanische und optische Effekte gemeinsam wirken können.
Stimmt das so: …wenn sie durch Herabfließen von Wasser auf Grund der Schwerkraft eine kritische Dicke unterschreitet.
Muss rs nicht überschreitet sein?
Das schöne am Text ist, das einiges schon durch Veröffentlichungen von dir bekannt ist.
Die Erklärungen rufen natürlich auch weitere fragen auf, etwa wieso tenside oder proteine für Entspannung der blase sorgen.
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Ich will sagen, dass die Blasenwand dünner wird. Es ist wie bei einem Luftballon, wenn der die Gummihaut eine kritische Dicke unterschreitet, reißt sie an der schwächsten Stelle und platzt. Auch eine Seifenblase steht unter Druck. Sie dellt die Wasseroberfläche sogar ein Stückchen ein.
Um über die Aussage hinauszugehen, dass die Tenside die Grenzflächenspannung vermindern, bedarf es molekularkinetischer Argumente, das würde einen eigenen Beitrag begründen. Aber du hast natürlich Recht, eigentlich müsste das auch erklärt werden. Und im Sinne der Weizsäckerschen Definition der Aktivitäten eines guten Philosophen: Nicht aufhören weiterzufragen, werde ich auch darauf wohl noch mal in diesem Blog eingehen.
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Wenn die sonneneinstrahlung fehlen würde, könnte da die blasenwand dünner werden? Ich stelle mir ja die blase als optimalen zustand vor. Wenn sich keine parameter ändern würden, bliebe sie wohl so.
Danke !!!
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Die Blasenwand wird durch Verdunstung und Gravitation dünner. Verdunstung findet auch statt, wenn die Sonne nicht scheint. Das Schicksal der Blase ist damit besiegelt. Es gibt allerdings Blasenmischenungen, die sich verfestigende Inhaltsstoffe enthalten und länger existieren.
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