Vor Jahren entdeckte ich eine schwarzgrau glänzende Kugel, etwa so groß wie eine kleine Johannisbeere (Abbildung unten rechts). Sie war durch helle „Meridiane“ und einzelne gelbliche Flecken strukturiert. Ich fotografierte sie und ließ sie einige Zeit allein. Als ich zurückkam war sie weg – vielleicht weggerollt. Denn ich hatte bereits beim Fotografieren bemerkt, dass sie schon bei der kleinsten Neigung ins Rollen geriet. Irgendwie geriet sie dann in Vergessenheit, weil ich keinen Ansatzpunkt zu ihrer Identifizierung fand.
Als ich gestern unsere Terrasse fegte und diesmal auch die Ecken sorgfältig säuberte, rollte mir eine ganz ähnliche Kugel vom Kehrblech. Ich legte das Unikum zwecks späterer eingehenderer Untersuchung zur Seite und fühlte mich wie in einen falschen Film versetzt, als die Kugel sich plötzlich entrollte und in neuer
Verkleidung als Assel, wie ich sie hier häufiger vorfinde, das Weite suchte. Nachdem ich sie wieder eingefangen hatte, rollte sie sich flugs, die vielen Beinchen perfekt verstauend und die einzelnen Segmente ihres Rückenpanzers passend verschränkend (Verpackungskunst der Natur!), wieder zur Kugel ein. Das Spielchen ging einige Zeit so weiter.
Die Kugel war also eine originelle „Verkleidung“ der so genannten Rollasseln (Armadillidium vulgare), die dieses Verwandlungsspiel nutzen, um sich in Situationen der Gefahr dem Interesse möglicher Fressfeinde zu entziehen. Dass sie dadurch erst das Interesse von Menschen wecken würden, war zum Zeitpunkt ihrer Evolution wohl noch nicht vorhersehbar.
Interessant ist vielleicht noch der Hinweis, dass Asseln keine Insekten sind. Das erkennt man schon an der Zahl der Beinchen. Während Insekten stets sechs Beine haben, warten die Asseln mit nicht weniger als 14 auf. Sie gehören zu den Krebstieren und sollten sich daher eigentlich im Wasser tummeln. Die Landasseln haben sich an dunkle und feuchte Aufenthaltsorte angepasst und leben quasi auf dem Trockenen. Zusätzlich zu ihren Kiemen, die sie behalten haben, verfügen sie auch über Lungen, die sie sinnigerweise in den Höhlungen ihrer Hinterbeine tragen.
Wieder ein mir sehr gefallender Text.
Das mit dem Zusammenrollen erinnert mich an Schmetterlinge, die sich durch den Schatten des Fotografen bedrängt fühlen. Sie flattern davon und scheinen zu neuen Zielen unterwegs, doch da sie den Radius dabei nicht sichtbar erweitern, ist für uns Menschen klar, daß sie baldigst wieder zur Blüte zurückwollen. Und so dauert es keine volle Minute, bis sie – sozusagen – in einer kühnen Gebärde wieder dem Ziel ihrer Träume zufallen.
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🙂
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