Das Thema der Wahrscheinlichkeit versus Zufall ist in diesem Block schon häufiger Gegenstand der Erörterung gewesen (z.B. hier und hier und hier). Hier ein weiteres Beispiel: Im Garten sitzend aß ich ein paar Pflaumen. Eine war angeschimmelt. Ich warf sie kurzerhand ins Gebüsch mit der Erwartung, dass sie die Zweige streifend zu Boden gehen würde. Doch wie ein Wunder schien sie plötzlich im Fluge innezuhalten. Jedenfalls traf sie nicht auf dem Boden auf.
Ich sah nach und war irgendwie erleichtert eine natürliche Erklärung für das Ereignis vor Augen zu haben. Es war also kein Wunder geschehen, aber etwas das gleich danach kommt. Die Pflaume befand sich fein säuberlich aufgespießt auf einem nach oben weisenden Rest eines abgebrochenen Zweigs. Damit das geschehen konnte, musste die Pflaume senkrecht auf den Ast niedergegangen sein und ihn so getroffen haben, dass er zentral in die Pflaume eindringen und diese fixieren konnte. Die Pflaume wurde also durch die Wechselwirkung mit den Zweigen zum senkrechten Fall gebracht. Außerdem musste die Geschwindigkeit so weit reduziert worden sein, dass der Zapfen die weiche Pflaume nicht einfach in zwei Teile zerfetzte.
Zufall … oder nicht. Es müssen die richtigen Parameterwerte zuhilfe kommen, dann entsteht so etwas wie von Dir fotografiert.
Nun steht die Frage im Raum: Wie groß war die Chance für die Pflaume, aufgespiesst zu werden?
Wann spricht man von einer großen Zufälligkeit?
Ich habe den Eindruck, daß auch nominal kleine Wahrscheinlichkeiten eine große praktische Bedeutung haben können.
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Meine Einschätzung über das Maß der Wahrscheinlichkeit ist natürlich sehr subjektiv. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wenn ich das Ergebnis bewusst hätte herbeiführen wollen – so ich überhaupt auf die Idee gekommen wäre – ich es auch bei sagen wir 1000 Versuchen nicht geschafft hätte.
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Das glaube ich auch.
Mir war nur gestern der Gedanke, in meinen zwei Schlusssätzen, gekommen: Gibt es denn nicht in der Physik winzige Störungen, die allmählich große Gestalt annehmen können? Oder in der Evolutionsbiologie, in der man (ursprglich ?!) angenommen hatte, daß eine kleine evolutive Neuerung in ganz wenigen Spezies dadurch gewinnt, daß sie (weit) erfolgreicher ist als die bisherige Variante und sich „rasend“ ausbreitet?
Entschuldigung, daß ich das nochmal laienhaft aufgriff.
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Das stimmt. Sensitive Systeme sind genau von der Art. Klassisches Beispiel: Der (ideale) Würfel. Auch wenn man sich bemüht zwei Würfe exakt auf dieselbe Weise durchzuführen, wird man nur zufällig zum selben Ergebnis kommen.
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Was für ein feiner Zufall! 🙂
LG vom Lu
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Die meisten Zufälle dieser Art wird man vermutlich gar nicht bemerken. Wenn ich nicht zufällig (sic!) darüber stutzte, dass das feine Geräusch beim Streifen der Blätter so schnell aufhörte, hätte ich wohl kaum nachgeschaut. Liebe Grüße, Joachim.
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Mit Sicherheit!
LG vom Lu
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🙂
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Da haben Geisterchen das bekannte Spiel „Pflaumenspießen“ gespielt. Die Hauptregel besagt, dass der gewinnt, dem es gelingt, die Pflaume so auf einen spitzen Dorn zu werfen, dass sie weder runterfällt noch zweigeteilt wird. du hast anscheinend den Moment verpasst, als eines der Geisterchen dies vollbachte, und sahst dann nur das Ergebnis.
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Das kann ich leider nicht ausschließen, liebe Gerda, gegen diese Geisterchen, die man so oft im Verdacht hat, sich in unser Leben einzumischen, ist man einfach machtlos. Diese Sehweise hat den Vorteil, dass man nicht an den Zufall glauben muss, was ja auch eine Form der Bequemlichkeit darstellt, sich mit alternativen Deutungen zu befassen.
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Interessant. Wenn man alle Varianten möglicher Wege der Pflaume durch das Gebüsch betrachten würde „sum over paths“), wäre doch jeder einzelne Pfad gleich (un-)wahrscheinlich. Wenn die Pflaume auf dem Boden gelandet wäre, man sie aufheben und nochmal werfen würde, wäre es extrem unwahrscheinlich, dass sie exakt den gleichen Weg nimmt – auch wenn sie wahrscheinlich wieder auf dem Boden landet. Also fassen wir kognitiv „auf-dem-Boden-landen“ zu einer Bedeutungs-Einheit zusammen, und „aufgespießt-vom-Ast“ zu einer anderen Bedeutungs-Einheit, und erstere beinhaltet sehr viel mehr Varianten als letztere, ist damit wahrscheinlicher und entspricht unseren Erwartungen. Also hat doch die Wahrscheinlichkeit etwas damit zu tun, welche Bedeutung ich einem Ereignis gebe – oder? Der Sand-Seehund vom November ist ja auch eine (wunderbare) Bedeutungs-Zuschreibung, die unser Gehirn vornimmt. Jede beliebige andere Konstellation von Sandkörnern wäre genauso unwahrscheinlich, aber nicht auffällig.
Sorry für den langen Kommentar…
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Wie du selbst sagst, ist die Landung auf dem Ast wesentlich unwahrscheinlicher als die Landung auf dem Boden. Auch wenn die Landung auf dem Ast für mich an sich völlig unbedeutend ist, wird sie jedoch dadurch in bestimmter Weise dadurch bemerkenswert, dass sie einen unwahrscheinlichen Fall darstellt.
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Seeeeeehr eindrücklich. Für mich ist es ein weiteres Beispiel, dass wir eben nichts kontrollieren können, wenn „es“ sich nicht kontrollieren lassen möchte.
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In diesem Fall war es ja sogar so, dass ich gar nichts kontrollieren wollte und etwas herauskam, das sehr kontrolliert inszeniert erschien.
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Du hast es auf den . gebracht 😉
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🙂
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