Der auf Hochglanz polierte rote Lack der Karosserie und das gleißende Chrom der Stoßstangen, wirkten wie Zerrspiegel im Irrgarten auf dem Ostermarkt, stauchten mich zu einem feisten Zwerg oder streckten mich spindeldürr. Die Zierleisten auf der Kühlerhaube und an den Seiten – Blitze. Das in der Sonne funkelnde Rund der Radkappen, umrahmt von weißen und schwarzen Ringen der Weißwandreifen – unbekannte Planeten, zu denen Amis und Sowjets sich ein Wettrennen durch Weltall lieferten*.
Klaus Modick (*1951) erinnert sich in seinem Roman „Klack“ anhand einer Fotografie an die hochglänzenden Autokarosserien der 50er und 60er Jahre. An dem Anblick hat sich heute kaum etwas geändert. Doch heute ist das kaum noch ein bemerkenswertes Phänomen. Ich habe es mehrfach erlebt, dass sich Menschen – darauf aufmerksam gemacht – wunderten, im Glanz nichts anderes als Spiegelungen der Umgebung zu entdecken und in Karosserien so etwas wie Zerrspiegel zu erkennen, die zu den beliebtesten Phänobjekten von Science-Centern gehören.
* Klaus Modick. Klack. Köln 2013
was für ein Superfoto wieder!
LikeGefällt 2 Personen
Danke, liebe Gerda! Zum Glück darf man Autos noch fotografieren, obwohl ich einige Male von den Besitzern bereits kritisch befragt wurde.
LikeGefällt 1 Person
Da gab es eine ganze Kunstrichtung in den USA, die sich solchen Zerrbildern widmete. Meist in sehr großen Formaten.
In den 90ern gab es kaum etwas billig als Anschauungsmaterial in DE zu kaufen.
New Realism hies es wohl. Ich bin da nicht völlig mehr im Bilde.
Als ich in den frühen Neunzigern Kunstbände dieser Richtung kaufen wollte, kostete das vergleichsweise heftig Geld. Ähnlich viel auch für Hans Hartung.
LikeGefällt 1 Person
Die Kunstrichtung muss an mir vorbei gegangen sein, obwohl ich in den 90er Jahren mit der Alltagsphysik begann und solche Karosseriebilder anfertigte. Vielleicht lag das in der Luft.
LikeGefällt 1 Person
Photorealismus hieß die Kunstrichtung, jetzt ist es mir eingefallen. Die hatte mich damals wirklich sehr fasziniert.
LikeLike