H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 50/6 (2019), S. 305
Ein harmloser Blick in einen zugefrorenen Teich bei Sonnenlicht wirft einige physikalische Fragen auf, die sich erst mit Hilfe von leicht zu übersehenden Indizien beantworten lassen.
Indem uns der Winter den festen Aggregatzustand des Wassers in unterschiedlichen Formen präsentiert, bietet er oft ungewohnte physikalische Situationen. Im oberen Foto sind gleich mehrere bemerkenswerte Phänomene zu beobachten. Man blickt durch die transparente Eisschicht auf den vom Sonnenlicht erhellten Grund eines Teiches. Dicht unter der Oberfläche zeigen sich einige Blasen, von denen die größte einen Durchmesser von etwa 3 cm hat. Sie sind dadurch entstanden, dass durch biologische Aktivität auf dem Boden abgesonderte Gasbläschen aufgestiegen sind und sich unter der Eisschicht zu einer größeren Blase vereinigt haben. Diese hat dann allmählich das nach unten wachsende Eis umschlossen.
Beim Ablauf natürlicher Prozesse, wird so viel Energie wie unter den gegebenen Bedingungen möglich an die Umgebung abgegeben (Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik) mit der Folge, dass die hier vorwiegende potentielle und Oberflächenenergie der Blase minimiert werden. Da die Oberflächenenergie proportional zur Oberfläche ist, tendiert die Blase dazu Kugelform anzunehmen. Wegen der schwerkraftsbedingten Auftriebskraft liefe die Minimierung der potentiellen Energie demgegenüber auf eine extrem flache Blase hinaus. Weil dadurch aber die Oberflächenenergie vergrößert würde, ergibt sich als Kompromiss die Form eines Ellipsoids, das als Optimum anzusehen ist. Wenn nach dem Einfrieren einer Gasblase erneut Gase aufsteigen, können weitere Blasen unmittelbar unter der ersten entstehen. Manchmal beobachtet man kleine Türme im dicken Eis (Mittleres Foto).
Das Sonnenlicht fällt auf die Eisschicht, wird zum Teil reflektiert und dringt zum Teil durch die transparente Eisschicht in den Teich ein. Wenn Sonnenlicht mit Partikeln von der Größenordnung der Wellenlänge des Lichts wechselwirkt, wird vor allem das kurzwellige Licht gestreut (Rayleigh-Streuung). Das kennen wir vom blauen Himmelslicht. Während das direkte Sonnenlicht mit zunehmender Distanz und Luftdichte immer mehr an kurzwelliger Strahlung einbüßt und daher die langwelligen Anteile zunehmen, besteht das Streulicht vor allem aus kurzwelliger Strahlung. Wenn bei Sonnenuntergang der Weg des Lichts durch die Atmosphäre besonders lang ist und vor allem Bereiche großer Dichte durchstrahlt, macht sich das in der Dominanz der Gelb und Rottöne bemerkbar.
Dieses Phänomen beobachten wir auch beim Blick auf den Teichboden. Zwar ist der Weg des Lichts zum Boden und zurück vergleichsweise kurz, aber die Konzentration von winzigen Streupartikeln im Wasser ist so groß, dass die Rot- und Gelbtöne vorherrschen. Die Gasblasen im Eis erscheinen hingegen blau. Das ist darauf zurückzuführen, dass das gelb-rote Licht vom Boden beim Übergang vom optisch dichteren Wasser in das Gas von wesentlich geringerer Dichte in einem vergleichsweise großen Winkelbereich durch Totalreflexion davon abgehalten wird zur Kamera zu gelangen. Daher dominiert das aus allen Richtungen einfallende blaue Himmelslicht, das sowohl an der äußeren als auch an der konkaven inneren Grenzfläche der transparenten Blase reflektiert wird und die Blasen blau erscheinen lässt.
Wenn durch Sonneneinstrahlung in der Blase die Wasserdampfkonzentration zunimmt und es in der anschließenden Nacht zu einer Abkühlung kommt, wird die maximale Wasserdampfkonzentration überschritten. Der überschüssige Dampf kondensiert und gefriert und/oder geht direkt in winzige Eiskristalle (Reif) über, die sich an der Innenwand der Blasen niederschlagen. Daran wird das Licht diffus reflektiert, sodass die Blasen opak weiß erscheinen. Die hohlspiegelartig wirkende Blasenrückwand macht sich auch dadurch bemerkbar, dass bei einer Nahaufnahme von oben (Unteres Foto) der Fotograf kopfstehend und anamorphotisch verzerrt eingekreist vom Spiegelbild des blauen Himmels abgebildet erscheint.
Klasse, die Physik des Farbenspiels so schön erklärt zu bekommen. 👍😎🥂
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Vielen Dank!
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Da ist sehr viel drin, lieber Joachim! Diesen Artikel muß man mindestens ausdrucken und einige Male durchgehen.
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Das stimmt! Ich weiß, dass du den Ehrgeiz hast, es auch wirklich zu verstehen und freue mich darüber 🙂
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