Irgendetwas stimmt hier mit der Fliesenwand nicht. Stimmt, sie sind nicht in der üblichen Weise verarbeitet. Vielmehr sind die einzelnen Reihen abwechselnd um eine halbe Fliesenlänge gegeneinander verschoben verlegt. Man sollte erwarten, dass das keinen großen Effekt auf die Wahrnehmung ausübt. Und doch ist es so. Sie sehen so aus, als ob sie ihre Größe verändern würden. Jedenfalls erscheinen uns die Reihen nicht parallel. Und doch sind sie es. Wenn man nämlich die Reihen Fliese für Fliese mit dem Auge abtastet oder sogar ein Lineal an das Foto anlegt, erweist sich alles parallel und in bester Ordnung. Nimmt man aber die Fliesen als Ganzes in den Blick, machen sie Spirenzchen. Wie sehr man sich auch bemühen mag, es gelingt einfach nicht hier visuell Ordnung hineinzubringen. Man fühlt sich angesichts der einander widersprechenden Wahrnehmungen genarrt.
Ursache für diese optische Täuschung ist der visuelle Befund, dass unser Auge weiße Flächen als größer empfindet als schwarze Flächen. Wir haben es hier wieder einmal mit dem schon öfter in diesem Blog betrachteten Phänomen der Irradiation, der Überstrahlung, zu tun. Normalerweise werden die gesehenen Gegenstände den Gesetzen der geometrischen Optik entsprechend auf der Netzhaut des Auges farb- und helligkeitsgetreu abgebildet. Bei großen Kontrasten zwischen hellen und dunklen Flächen macht sich die Abweichung der Lichtstrahlen von der punktförmigen Vereinigung bemerkbar, sodass auch noch benachbarte Sehzellen erregt werden. Außerdem sind daran Streuprozesse im Auge, z.B. im Glaskörper beteiligt. Da von hellen Flächen mehr Licht ausgeht als von dunklen, ist die Überstrahlung umso ausgeprägter je heller die Flächen sind. Deshalb entsteht bei der Betrachtung der weißen und schwarzen Fliesen der Eindruck, dass es auch dort noch hell ist, wo rein geometrisch bereits die schwarzen Flächen beginnen. Diese erscheinen folglich kleiner und die weißen größer.
Wie man sich doch täuschen kann ohne etwas dagegen tun zu können.
Obwohl bereits Leonardo da Vinci die Irradiation an einigen Beispielen beschreibt wurde sie erst von Hermann von Helmholtz eingehender untersucht. Und die oben illustrierte Täuschung wurde nach Hugo Münsterberg benannt, der sie als Irradiationseffekt beschrieb.
Man kann trotzdem staunen, wie das Sehen als Ganzes fast lückenlos funktioniert. Ausgehend vom urspr. Augenfleck, der Licht registrieren konnte, bis zu den Augen der Insekten und höheren Tiere: WAS für eine Entwicklung!!
Man fragt sich, wie in diesen knappen 550 Millionen Jahren (oder etwas mehr als 2 Milliarden Jahren) so eine Entwicklung stattfinden konnte.
Ich gehe mit Wagner und anderen, daß es eine Art „gelenkte Evolution geben“ muß. D.h. es sind Neuerungen entstanden, die nicht durchlangwierigen Zufall entstanden sind, sondern wohl durch eine Art „Lenkung“. Wobei ich meine, daß die Lenkung systemimmanent ist, also sehr natürlichen Ursprungs ist.
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Fragt sich nur, was das Ziel ist? Wenn die Menschheit den Planeten schließlich unbewohnbar machen sollte, war die Entwicklung wohl doch nicht optimal.
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Ich geh davon aus, daß wir das noch in dieser Dekade erfahren werden.
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😦
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Lieber Joachim!
Nicht nur erbaulich war das hier, sondern mal wieder was gelernt, und das als Frühstückslektüre, wunderbar!
Liebe Grüße
Juergen
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Danke, lieber Juergen! Und lass dich auch in Zukunft nicht täuschen 😉 Liebe Grüße, Joachim
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Darum also „schwarz macht schlank“ 😄
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Genau, ich denke dass dieser Effekt der physikalische Hintergrund dieses Ausspruchs ist.
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Ja herrlich, bei solchen Täuschungen wird mir immer erst schwindlig, dann schlecht.
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Das bedeutet, dass sich das „Schwanken der Parallelen“ auf deinen Körper überträgt. Mir geht es bei einigen optischen Täuschungen genauso.
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Das klingt sofort besser. Wenn mir das nächste Mal speiübel ist, werde ich mich daran erinnern.
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🙂
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