Warum ist einer der Kondensstreifen rot?
Erklärung des Rätselfotos des Monats Januar 2020
Frage: Warum bilden statt einer homogenen Eisschicht dendritischen Eisblumen?
Antwort: Eisblumen bestehen aus flächenartig verbundenen Eiskristallen, die auf einer festen Unterlage, meist auf der Innenseite von Fensterscheiben eines wärmeren Gebäudes, gewachsen sind. Innerhalb des Gebäudes befinden sich die wärmere Luft und der wärmere Wasserdampf im oberen, die kälteren Gase im unteren Bereich. Wenn die Scheibe durch einen Temperaturabfall in der Außenwelt abkühlt, wird der Luft und dem Wasserdampf in der Nähe der Scheibe Energie durch Wärme entzogen; ihre Temperatur sinkt und ihre Dichte nimmt zu. Daher sinken sie schwerkraftsbedingt an der Scheibe herab. Durch die Abkühlung wird der Taupunkt unterschritten und überschüssiger Wasserdampf kondensiert an der Fensterscheibe zu kleinen Wassertröpfchen.
Wenn die Temperatur sogar unter den Gefrierpunkt sinkt, kristallisieren die winzigen Tropfen zu Eiskristallen oder der Dampf schlägt sich ohne die flüssige Zwischenstufe unmittelbar in Eiskristallen nieder (Resublimation).
Die winzigen Eiskristalle mit ihrer sechseckigen Struktur bilden den Ausgangspunkt für die Eisblumen. Sie entstehen an Kondensationskernen, etwa Schmutzpartikeln, an denen Tröpfchen beziehungsweise Kristalle andocken. Ihre hexagonale Form beeinflusst das Kristallwachstum, indem bestimmte Vorzugsrichtungen favorisiert werden. Die Wahrscheinlichkeit für die Anlagerungen weiterer Wassermoleküle wird zwar weitgehend durch den Zufall bestimmt, aber nicht in jedem Fall kommt es zu einer Vergrößerung des bereits bestehenden Kristalls. Denn dort, wo die Kristallisation stattfindet, muss auch Kristallisationswärme abgegeben werden, und zwar ganz schön viel. Es ist dieselbe Menge, die man einem Eispartikel derselben Masse zum Auftauen zuführen muss – und jeder weiß, wie lange sich Eisstücke in einem Erfrischungsgetränk halten.
Das Kristallwachstum käme sogar zum Stillstand, würde die frei werdende Wärme nicht schnell genug abtransportiert. Der Kristall wächst daher bevorzugt von seinem Ursprung weg und bildet zunächst dünne kristalline Äste. Da mit den Ästen auch deren Flanken in kältere Gebiete gelangen, lagern sich an ihnen schließlich ebenfalls Eiskristalle an und wachsen nun ihrerseits möglichst von den bereits bestehenden Eiskristallen weg. Es entstehen auf diese Weise seitliche, schräg nach oben wachsende Zweige, die schließlich nach demselben Prinzip ihrerseits verzweigen. Die Anlagerungen der Wassermoleküle an die bestehenden Eisstrukturen werden bestimmt vom Zufall, mit dem diese an die eine oder andere Stelle gelangen und der Notwendigkeit, mit der einerseits der Geometrie des Kristalls und andererseits der Energetik der Phasenumwandlungen Rechnung getragen wird.
Allmählich entsteht ein farnartiges Gebilde, das ganz zum Schluss, wenn auch die Zwischenräume gefrieren, eine blattartige Form annimmt. Aus dem Zusammenwirken von Zufall und Notwendigkeit sind Strukturen entstanden, wie wir sie auch bei (biologischen) Blättern und Blumen beobachten können: Sie ähneln einander zwar, sind aber nie identisch. Erfahrungsgemäß bilden sich die schönsten Formen bei einer Scheibentemperatur von etwa minus zwei Grad Celsius. Wirkliche Vielfalt entfaltet sich zudem nur, wenn das Fenster verschmutzt ist und damit viele Kondensationskerne vorhanden sind. Wenn diese dann auch noch eine zusammenhängende Struktur (z.B. aufgrund von Algenwachstum, Spinnweben etc.) aufweisen, so kann sich diese im entstehenden Kristallisationsmuster niederschlagen. Durch sorgfältiges Reinigen und gezieltes Verschmutzen von Scheiben habe ich die Erfahrung gemacht, dass Sauberkeit für kristalline Schönheit keine Voraussetzung ist.
Die Kondensstreifen wären sicher normalerweise weiß, doch die rote Farbe wird wohl durch Streung erzielt.
Vielleicht hängt dies mit dem Tageszeitpunkt zusammen.
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Das ist sicherlich die halbe Antwort. Die Dämmerung liefert rotes Licht. Aber warum wird nur einer der Kondensstreifen rot?
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Weil er die volle Ladung abbekommt.
Die Sonne steht auf etwa gleicher Höhe wie die 2 parallelen Streifen. Zusammen bilden die drei sozusagen eine Ebene.
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Ich antworte mal durch die Blume: manchmal steht man sich gegenseitig im Licht 😉
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Vielleicht wirft der 1. Streifen rot in unser Auge. Er wirft aber auch gelb auf den zweiten. Durch die unterschiedlichen Winkel, in dem das Licht , das auf den 1. Streifen fällt, aufgespaltet wird.
Das alles natürlich aus dem Mund eines Laien…
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Wenn du gelb siehst, dann siehst du mehr als ich und denkst vermutlich schon im Sinne der theoretischen Erwartung über das Phänomen hinaus. Der Mund ist gar nicht so laienhaft wie du denkst. 🙂
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Anzufügen ist, daß ich rotgrünblind bin.
Was ist hier eigentlich an Fülle der Kommentare erlaubt?! Das frage ich mich manchmal. Will ja nicht zuviel Raum einnehmen.
Rotgrünblindheit bringt neben dem Faktum, das aufgrund genetischer Disposition einige Rezeptoren fehlen, auch eine gewisse Verunsicherung bzgl. Farben mit sich.
So kann sein, daß hier kein Gelb ist.
Und es kann sein, daß sich das Rot mit der Länge zunehmend verliert auf dem einen Strahl. Wenn dem so ist, dann wird wohl ab einer gewissen Streifenlänge nicht mehr rot ins Auge gestreut. Es triftt das Auge des Fotografierenden nicht mehr.
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Lieber Gerhard, Kommentare sind natürlich unbegrenzt möglich und deine Ausführungen über Rotgrünblindheit sind für mich sehr interessant. Du hattest es bereits früher einmal erwähnt, aber das war mir nicht mehr bewusst. Ich ging daher davon aus, dass du die Farben in der Folge Gelb und Rot des Sonnenuntergangs voraussetzend, das Gelb auch im Kondensstreifen „hineingesehen“ hast. Das wäre natürlich ein noch ausdruckskräftigeres Foto gewesen.
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Kristalline Zweige sind also „Wärmeflüchter“, während Baumzweige „Wärmesucher“ sind. 🙂
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So kann man die Sache auf den Punkt bringen, wobei man vielleicht hinzufügen sollte, dass die Wärmesucher es wohl hauptsächlich auf die Sichtbaren Wellenlängen abgesehen haben, um genau zu sein, auf rot und blau.
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Hat das was mit der Sonne zu tun (Untergang, Aufgang)? Herrlich, Dein letzter Satz der Aufklärung des letzten Rätsels: „… durch sorgfältiges Reinigen und gezieltes Verschmutzen …“
Ganz liebe Grüße!!
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Ja so ist es, fragt sich nur warum nur ein Streifen betroffen ist.
Der „Schmutzeffekt“ spielt in der Physik ein wichtige Rolle. Ohne „Verunreinigungen“ gäbe es beispielsweise keine Transistoren … und wir könnten nicht so kommunizieren, wie wir es gerade tun. Oft – wie hier – aber häufiger noch bei Lichtphänomenen kommt das Naturschöne hinzu.
Vielen Dank für deinen schönen Kommentar und herzliche Grüße, Joachim.
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Der eine ist sonnenzugewand und wird deshalb rot angestrahlt, während der zweite in dessen Schatten nur blass aussieht.
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So ist es. Die Perspektive war genau so, dass der angestrahlte den anderen verdeckte. Hatte ich vorher nie gesehen.
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